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Julian Mast

Zirkuläre Produktion 4.0?! – Künstliche Intelligenz, Ressourceneffizienz und digitalzirkuläre Produktionsökosysteme

Im vierten und vorletzten Webseminar unserer Reihe „Digital ready, circular ready?“ beleuchtete das virtuelle Forschungsnetzwerk #CEresearchNRW am 09.11.2023 das Handlungsfeld „Produktion“.

Hierzu präsentierte Wei Min Wang (Technologieberater des VDI Technologiezentrums) zwei abgeschlossene Studien zur Ressourceneffizienz und Digitalisierung bzw. Künstlichen Intelligenz, sowie Nina Lugmair (wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FAU Erlangen-Nürnberg) das Forschungsdesign und Zwischenergebnisse einer Delphi-Studie zur Digitalisierung als Wegbereiter für Circular Economy im Jahr 2035.

Potenziale von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz für die betriebliche Ressourceneffizienz und Circular Economy

In seinem Vortrag bezog sich Wei Min Wang auf die Ergebnisse zweier abgeschlossener Studien des VDI Zentrum Ressourceneffizienz (VDI ZRE), die konkrete Potenziale und Möglichkeiten der Digitalisierung für KMU für mehr Ressourceneffizienz und Circular Economy aufzeigen. Das VDI ZRE ist eine Marke des VDI Technologiezentrum und bietet im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) KMU vielfältige Hilfestellung zur Umsetzung von Ressourceneffizienzmaßnahmen (bspw. Ressourcencheck, Kostenrechner, Innovationsradar, Handbücher). In seinem Vortrag definierte Wang zunächst Ressourceneffizienz als das Verhältnis aus dem Nutzen, den ein Produkt oder eine Dienstleistung stiftet und dem Aufwand für dessen Herstellung.

Ressourceneffizienz kann entsprechend durch die Erhöhung des Nutzens bei gleichbleibendem Aufwand oder die Senkung des Aufwands bei gleichbleibendem Nutzen erreicht werden. Im Rahmen des Vortrags wurde insbesondere die Aufwandseite beleuchtet, und hier vor allem inwiefern sich der Bedarf natürlicher Ressourcen durch Digitalisierung und Effizienzmaßnahmen verringern lässt.

Als eine wesentliche Motivation für Unternehmen sich mit dem Thema Ressourceneffizienz zu beschäftigen, führte Wang die Kostenstruktur in deutschen KMU des verarbeitenden Gewerbes auf. Hier stellen die Materialkosten mit einem Anteil von 39% der Gesamtkosten einen wesentlichen Beitrag der Gesamtkosten dar. Eine Steigerung der Ressourceneffizienz wirkt sich entsprechend signifikant auf den Unternehmenserfolg aus. Zum Vergleich: Die Energiekosten machen im Durchschnitt ‚nur‘ 2% aus. Wang zeigte jedoch auch auf, dass Ressourceneffizienz sich vor allem auf die Werterstellung von Produkten auswirkt, nicht jedoch auf Nutzung und End-of-Life-Phase dieser. Aus diesem Grund biete sich die Einbindung zirkulärer Strategien an, die an ebendiesen Punkten ansetzen. Zur Erreichung von mehr Kreislaufwirtschaft bedarf es der Zusammenarbeit verschiedener Akteure, die zirkuläre Strategien anwenden und so neue Geschäftsmodelle entwickeln.

Hierbei gelte die Faustregel „Je komplexer das Geschäftsmodell, desto wichtiger die Rolle der Digitalisierung“, bspw. zu sehen beim Wandel der Geschäftsmodelle vom Produktverkauf zur Bereitstellung des Produktnutzens als Dienstleistung (sog. Produkt-Service-System). Der Einsatz von KI kann hierbei als Katalysator gesehen werden, da er einerseits den Umgang mit heterogenen Daten erleichtert, andererseits aber auch komplexe Simulationen ermöglicht. Die Umsetzung von Ressourceneffizienz durch Digitalisierung kann auf vier Stufen erfolgen. Je höher der Digitalisierungsgrad, desto mehr Ressourceneffizienz-Potenzial ist grundsätzlich mit der Anwendung digitaler Technologien verbunden.

Die Stufen sind:
(1) Transparenz schaffen durch systematische Sammlung von Daten,
(2) Optimieren der Produktionsprozesse durch Datenauswertung, Fehlererkennung und Korrekturmaßnahmen,
(3) vorausschauendes Handeln durch Einsatz von KI und vorgeschalteten Simulationen, sowie
(4) das Etablieren digital verknüpfter Ökosysteme, mit neu implementierten Geschäftsmodellen.

Abschließend veranschaulichte Wang anhand sechs Praxisbeispielen aus den beiden Studien, wie vielseitig und komplex der Einsatz digitaler Technologien, sowie auch die verfolgten zirkulären Strategien sein können. Diese reichen von der Verbesserung der Prototypenentwicklung über das Optimieren der Fehlertransparenz hin zur Qualitätssicherung in Realzeit. In allen Anwendungsfällen konnten durch Digitalisierung ökologische und ökonomische Einsparpotenziale realisiert werden. Die Aktualität und relevant des Themas Digitalisierung und Circular Economy zeigt sich außerdem in einer Vielfalt von Forschungsprojekten und Praxisinitiativen ((1), (2), (3)) und wird in einer neuen Studie „Ressourceneffizienzpotenziale durch digital gestützte zirkuläre Maßnahmen“ weiter untersucht, die Ende 2024 fertiggestellt werden soll.

Digitale Technologien als Wegbereiter für eine Kreislaufwirtschaft in der Zukunft?

Nina Lugmair stellte in ihrem Vortrag eine Zukunftsstudie vor, welche an der Friedrich-AlexanderUniversität (FAU) Erlangen-Nürnberg lehrstuhlübergreifend und interdisziplinär von einem Team aus Wirtschaftsinformatiker:innen und Nachhaltigkeitsforscher:innen durchgeführt wurde und derzeit ausgewertet wird. Die Studie verknüpft Aspekte von Innovation und Nachhaltigkeit einerseits, sowie der digitalen Transformation andererseits, mit dem Ziel, den erwarteten Stand der Umsetzung einer digital unterstützen Circular Economy im Jahr 2035 aufzuzeigen. Die Forschungsfrage lautet dementsprechend: Erfolgen bis 2035 zunehmend Umsetzungen zirkulärer Strategien in Produktionsökosystemen, die durch den Einsatz digitaler Technologien unterstützt oder gar erst ermöglicht werden?

Um dies vorausschauend zu beleuchten, wurden Expert:innen mit der Delphi-Methode befragt (vgl. Orakel von Delphi). Dabei wurde nicht weiter zwischen verschiedenen digitalen Technologien wie bspw. Additive Fertigung, Internet der Dinge oder Künstliche Intelligenz unterschieden. Die einerseits, um die Komplexität möglichst gering zu halten, und andererseits, weil Ziel der Studie vor allem ist, einen wissenschaftlichen und praxisnahen Diskurs anzuregen. Circular Economy wurde in Anlehnung an die R-Strategien operationalisiert. Die Studie nutzt sowohl qualitative als auch quantitative Methoden. Lugmair erläuterte die Bildung der betrachteten Szenarien, die in der Studie bzgl. ihrer Umsetzungswahrscheinlichkeit sowie ökonomischen und ökologischen Effekte untersucht wurden. Die Szenarien ergeben sich aus den Segmenten einer Matrix (siehe Abbildung) mit den beiden Achsen Zirkularität und Digitalisierung bzw. der Schnittmenge deren jeweiliger Unterabschnitte (Zirkularisierung: nützliche Anwendung, Verlängerung Lebensdauer, digitale Produktentwicklung; Digitalisierung: Datenerfassung, Datenanalyse, Automatisierung).

Die für den Vortrag ausgewählten Szenarien 3, 9 und 11 befassten sich mit folgenden Themen: Szenario 3: Deutlicher Anstieg der Recyclingquote durch automatisiertes Sortieren und Klassifizieren der Komponenten und Materialien.

Szenario 9: Deutlicher Anstieg an zirkulären Dienstleistungen durch digital gesammelte und gespeicherte Daten der Konsumenten und Produkte über deren gesamten Lebenszyklus. Szenario 11: Deutlicher Anstieg zirkulär designter Produkte durch digitale Innovationen, bspw. durch digitale Lösungsfindung der Materialien, Simulationen etc. Wie auch bei der Meinungsumfrage des Publikums zu diesen drei Szenarien bestätigte Lugmair den positiven Trend, den die in der Studie befragten Expertinnen in der digital unterstützten Umsetzung von Circular Economy generell sehen. Sie wies aber auch darauf hin, dass der Umsetzungserfolg anderer Szenarien teilweise als weniger wahrscheinlich bewertet wurde. Weitere Auswertungen wie bspw. ökologische oder ökonomische Effekte der jeweiligen Szenarien laufen derzeit noch. Vielen Dank für Ihre Teilnahme!

Wir freuen uns auf das nächste Seminar mit Ihnen!

Bis dahin,
Ihr Prosperkolleg-Team