Daniela Gutberlet, Professorin für Umwelttechnik und Logistik an der Westfälischen Hochschule, lenkte im ersten Vortrag zunächst den Blick auf die Region Emscher-Lippe, die im Fokus des Projekts Circular Performer-Emscher-Lippe (CirPEL) steht. Sie leitet sie die Fachgruppe Bauwirtschaft und möchte regionale KMUs für die Kreislaufwirtschaft gewinnen und neue innovative Projekte anstoßen. Für Prof. Gutberlet ist das gemeinsame Aktiv Werden ein zentraler Faktor. Schon im Rahmen ihrer Lehrtätigkeit macht sie auf die Notwendigkeit einer zirkulären Stoffstromwirtschaft aufmerksam, indem sie Studierende z. B. aktiv in Abfallanalysen einbindet. So macht sie praktisch erfahrbar, aus welchen Stoffen Abfälle zusammengesetzt sind und wie man damit umgehen kann.
Im CirPEL-Projekt fokussiert sich die Fachgruppe Bauwirtschaft auf Sanierung, Umbau und Rückbau von Gebäuden – Bereiche, in denen Prof. Gutberlet großen Forschungs- und Handlungsbedarf sieht. In diesem Bereich sind Unternehmen mit verschiedenen Hindernissen konfrontiert. Ein essenzielles Problem stellen zum Beispiel geltende Regelwerke dar, die in ihrer Aktualität oft den Entwicklungen hinterherhinken. Rückgebaute Bauteile gelten automatisch als Abfall. Sie später als neue Baustoffe zu deklarieren und zu nutzen, stellt in der Praxis eine große Herausforderung dar.
Durch das erste Treffen der Fachgruppe Baustoffe im November konnte Prof. Gutberlet mit ihrer Mitarbeiterin Angelina Krause einige zentrale Hürden identifizieren. Neben Regelwerken, die den Wiedereinsatz von Materialien erschweren, bemängelten Unternehmen die mangelnde Abstimmung zwischen den Kommunen. Die Unternehmen wünschen sich, dass es eine größere Einheitlichkeit kommunenübergreifend gibt, damit effizienter und besser geplant werden kann. Darüber stellte sich heraus, dass die Unternehmen oft Probleme haben mit wem sie überhaupt in den Austausch treten und kommunizieren müssen. Wer sind die Ansprechpartner, wenn es um die Abnahme und Weiternutzung bestimmter Baustoffe geht. Die Praktiker*innen machten deutlich, dass die Prozesse auf den Baustellen, insbesondere hinsichtlich der sortenreinen Erfassung der Abfallströme, aktuell nur unzureichend organisiert sind. Platz, Sortierung, Lagerung, Transport – die Umsetzung vor Ort scheitert an vielen Details.
Das übergeordnete Ziel ist stets, Materialien sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich in den Kreislauf zurückzuführen. Erweiterte und neue Kommunikationswege sowie optimierte Prozesse auf den Baustellen und in der Logistik sind dabei entscheidend, um das Potenzial des zirkulären Bauens voll auszuschöpfen.
Zum Abschluss lud Daniela Gutberlet zum 2. Netzwerktreffen der Fachgruppe Bauwirtschaft am 18. Februar 2025 an der Westfälischen Hochschule ein. Alle interessierten Vertreter*innen vor allem aus der Praxis sind herzlich dazu eingeladen sich der 2-stündigen Veranstaltung (14.00-16.00 Uhr) anzuschließen und gemeinsam die zirkuläre Bauwirtschaft in der Region Emscher-Lippe zu gestalten. Interessierte wenden sich per E-Mail an: daniela.gutberlet@w-hs.de.
Damit Abbruchmaterialien entweder als End-of-Life-Produkte wiederverwendet oder zu hochwertigen Rezyklaten weiterverarbeitet werden können, braucht es vor allem eins: Informationen. Entscheidend ist nicht nur zu wissen, wie viel Abfall entsteht, was genau anfällt und wann dies geschieht. Ebenso wichtig ist die Zusammensetzung der Materialien sowie die Frage, ob Schadstoffe enthalten sind.
Eine zirkuläre Bauwirtschaft erfordert deutlich mehr Koordination als die lineare Wirtschaftsweise. Eine der größten Herausforderungen besteht darin, die passenden Partner entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu identifizieren. Unternehmen, die Materialbedarfe sekundär decken möchten, suchen nach zuverlässigen Lieferanten, die gleichbleibende Qualität und langfristige Konditionen garantieren können.
Doch genau hier wird es schwierig: Sekundärrohstoffe entstehen dezentral über viele Standorte hinweg, während Rohstoffe in der linearen Bauwirtschaft meist punktuell, etwa in Steinbrüchen oder Kupferminen, abgebaut werden. Diese Komplexität der zirkulären Wertschöpfungsnetzwerke erfordert neue Strategien und eine enge Abstimmung zwischen allen Beteiligten.
Ein zentraler Ansatzpunkt zur Verbesserung der Zirkularität ist die Baustelle selbst. Hier gibt es derzeit erhebliche Defizite, insbesondere bei der sortenreinen Trennung der Materialien. Oft landen wertvolle Ressourcen in der Verbrennung, weil eine Präzise Sortierung nicht gelingt. Dies liegt häufig am niedrigen Digitalisierungsgrad kleiner Handwerksbetriebe, die oft keine IT-Infrastruktur besitzen und häufig mit Smartphones arbeiten.
Doch auch technologische Lösungen, wie etwa Smartphone-Apps zur Erfassung von Abfällen, stoßen auf Hindernisse. Sprachbarrieren oder ein geringes Bildungsniveau erschweren die Anwendung. Jan-Philip Kopka machte deutlich, dass beispielsweise die Beschriftung aller Container in einer Vielzahl von Sprachen auf einer Großbaustelle keine praktikable Lösung ist.
Das Forschungsprojekt KUBA des Fraunhofer IML hat untersucht, wie eine nachhaltige Kunststoffwertschöpfungskette im Bausektor aussehen könnte. Eine morphologische Analyse der Erfassungssysteme zeigte, dass viele Beschreibungen und Dokumentationen unzureichend waren, was das Problem der Intransparenz verstärkte. Auch eine Automatisierung war kaum vorhanden, und IT-Unterstützung fehlte vielfach.
Positiv hervorzuheben war jedoch, dass klare Qualitätskriterien definiert und angepasste Behältersysteme wie Säcke, Gitterboxen oder Container eingesetzt wurden. Zudem wurde nur ein geringer Anteil der Abfälle thermisch verwertet.
In einem weiteren Projekt wurde die Planung eines Rücknahmenetzwerks für Kunststoffe in der Bauwirtschaft entwickelt. Dieses Netzwerk müsste so konzipiert sein, dass jeder Baustandort in Deutschland innerhalb einer Stunde eine Rücknahmestelle erreicht. Dies würde jedoch 84 Standorte erfordern – eine logistische und wirtschaftliche Herausforderung.
Die Lösung der Forschungsgruppe: Vereinfachen durch Weglassen. Mit 24 zentralen Standorten, die die 80 materialreichsten Regionen bedienen, könnte ein Großteil der Bedarfe abgedeckt werden. Zwar wäre damit nicht ganz Deutschland optimal versorgt, doch würde dies einen wichtigen Schritt für die zirkuläre Bauwirtschaft darstellen.
Das Supply Chain Management spielt eine entscheidende Rolle in der zirkulären Bauwirtschaft. Hierbei könnte das Push-Prinzip genutzt werden, bei dem Materialien ausgehend von den Anfallstellen über die Prozesskette in den Markt gedrückt werden. Bislang folgen die Informationsflüsse dem Materialfluss, ohne die tatsächlichen Materialbedarfe einzubeziehen. Obwohl das Fraunhofer IML Prozessmodellierungen auf Supply Chain Ebene durchgeführt hat, betonte Kopka, dass keine logistische Notwendigkeit für differenzierte Erfassungssysteme gefunden werden konnte. Jedoch zeigte sich, dass vor allem die Unterstützung der Informationserfassung von Bedarfen erst differenzierte Systeme ermöglichen könnte. Wichtig ist, sowohl das “Was” als auch das “Wie” der Materialerfassung in die Planung einzubeziehen.
Im nächsten Teil seines Vortrages wendete Kopka den Blick auf das Supply Chain Management in der Baubranche. Dieses umfasst den Abbruch, Umbau, die Sanierung und natürlich auch den Neubau von Gebäuden. Das Forschungsprojekt BauCycle des Fraunhofer Institutes trägt hier dazu bei, zu erforschen, wie wertvolle Rohstoffe wie Sand oder Kies, die in mineralischen Baustoffen enthalten sind in den Produktionskreislauf zurückgeführt werden können. Ein zukünftiges Ideal soll sein, dass Erzeuger von Recycling-Materialien und die Erzeuger von Primärrohstoffen gleichberechtigt sind. Aktuell ist es jedoch so schwer die Aufkommensmenge und Qualität der Abbruchmaterialien abzuschätzen, dass die Preisgestaltung für Recyclingmaterialien eine große Herausforderung darstellt. Dies beeinträchtigt die Wettbewerbsfähigkeit stark.
Wie gut zirkuläres Bauen funktionieren kann, wenn es von Anfang an geplant wird, zeigt das Beispiel der Seestadt Wien. Dort entschied man sich, Abbruchmassen und Böden direkt vor Ort wiederzuverwenden. Dieses Projekt beweist, was möglich ist – jedoch unter der Voraussetzung, dass ausreichend Platz vorhanden ist. In dicht bebauten Gebieten oder bei kleinen Bauvorhaben bleibt Platzmangel ein limitierender Faktor. Dennoch können Simulationen von Materialflüssen helfen, auch in solchen Kontexten Fortschritte zu erzielen.
Aufgrund der Weihnachtsfeiertage und der Winterferien legt das Team von #CEresearchNRW eine kleine Pause ein. Das nächste Webseminar am 6. Februar 2025 wird sich einem weiteren spannenden Thema aus der Bauwirtschaft widmen.
Wir wünschen Ihnen frohe Feiertage und einen guten Start ins neue Jahr! Bleiben Sie gespannt auf die kommenden Veranstaltungen.
Ihr CirPEL und Prosperkolleg e.V. Team