Bei der Entwicklung und Fertigung neuer Produkte von vornherein mitdenken, wie sie effektiver und länger genutzt werden können und was passiert, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Dies ist der Grundgedanke der Zirkulären Wertschöpfung.
Bei unserer eigenen Definition orientieren wir uns an einer vielzitierten Übersichtsstudie, in der mehr als 114 Definitionen für die “Circular Economy” analysiert wurden und führen sie mit unseren eigenen Erfahrungen und Erkenntnissen zusammen (Kirchherr et al. 2017). Dabei übersetzen wir „Circular Economy“ mit “Zirkulärer Wertschöpfung”, um uns bewusst vom Begriff der Kreislaufwirtschaft abzuheben und dem Verständnis im internationalen Sprachgebrauch (z.B. in der EU) zu entsprechen.
Das Konzept der Zirkulären Wertschöpfung (engl. Circular Economy) beschreibt ein nachhaltiges Wirtschaftssystem, in dem in möglichst geschlossenen Kreisläufen gedacht und gehandelt wird, um den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen von Produkten, Komponenten und Materialien unter Beachtung der ökologischen Grenzen unseres Planeten langfristig zu sichern.
Damit steht Zirkuläre Wertschöpfung im Gegensatz zum aktuell dominierenden „linearen“ Wirtschaftssystem. In diesem endet die Wertschöpfung nach einer kurzen Kette aus Rohstoffgewinnung, Verarbeitung und Verbrauch mit einer oftmals unzureichenden Entsorgung, Deponierung oder rein energetischen Verwertung abrupt.
Das Denken im Sinne der Zirkulären Wertschöpfung entkoppelt wirtschaftliches Wachstum idealerweise von der Entnahme von Primärrohstoffen und schafft gleichzeitig Möglichkeiten für Innovation und wirtschaftliche Entwicklung.
Neben der voranschreitenden Effizienz (Wird das Verhältnis von erzeugtem Wert zu Ressourceneinsatz verbessert?) wird dies durch die gesteigerte Effektivität (Erzeugen wir Abfälle oder Wertstoffe?) und teils Suffizienz (Brauchen wir die Produkte überhaupt bzw. in dieser Form?) erreicht. Gesellschaftliche Konzepte, die nur auf eine dieser Säulen, z. B. nur auf die Effektivität setzen, werden die ökologischen Ziele des Lebens in den planetaren Grenzen unserer Erde nicht oder nur zu unvertretbar hohen Kosten erreichen.
In der Zirkulären Wertschöpfung werden Produkte (Güter und Dienstleistungen), Verfahren, Geschäftsmodelle, Konsummuster und gesellschaftliche Handlungsweisen ganzheitlich überdacht. Sie werden von Vornherein so gestaltet, dass ein Minimum an Primärressourcen eingesetzt wird und eine effektivere und längere Nutzung möglich ist. Außerdem wird gleich mitgedacht, was passiert, wenn Güter nicht mehr gebraucht werden. Zirkuläre Wertschöpfung rückt dabei den gesamten Produktlebenszyklus, das gesamte Wertschöpfungsnetzwerk sowie den Nutzen und die Nutzer:innen in den Fokus. Geschäftsmodelle und gesellschaftliche Handlungsweisen der Zirkulären Wertschöpfung basieren häufig auf Strategien wie Vermeiden und Verringern, länger Nutzen, Weiter- und Wiederverwenden, Recyceln und Rückgewinnen von Materialien in Abbau, Produktion, Distribution und Konsum. Dabei erfolgen alle Prozesse möglichst emissions- und schadstofffrei. Das auf Potting et al. (2017, S. 5) beruhende 9-R-Framework von Kirchherr et al. (2017, S. 224) ist das heute geläufigste Modell dieser Strategien.
Konsument benötigt ein Produkt nicht mehr, da sein Nutzen auf andere Weise befriedigt wurde
Produktnutzung intensivieren, beispielsweise durch Sharing-Angebote
Rohstoff- und Materialeinsatz durch erhöhte Effizienz in Produktion oder Nutzung reduzieren
Produkt wiederverwenden
Produktlebensdauer durch Wartung und Reparatur verlängern
Alte Produkte wiederherstellen, restaurieren und den neusten Anforderungen anpassen
Teile eines alten Produkts in ein neues Produkt mit derselben Funktion integrieren
Teile eines alten Produkts in einem neuen Produkt mit anderer Funktion nutzen
Wertstoffe wieder verwerten
Der Ressourcengebrauch ersetzt den Ressourcenverbrauch. Dadurch geht das lineare, abfallproduzierende Wirtschaftsmodell in ein zirkuläres Modell über (Nachhaltigkeitstransformation).
Übergeordnetes Ziel ist es, im Einklang mit den entsprechenden UN-Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals, SDGs) eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen, die „für alle heute lebenden Menschen und künftigen Generationen ausreichend hohe ökologische, ökonomische und sozial-kulturelle Standards in den Grenzen der natürlichen Tragfähigkeit der Erde erreichen und so das intra- und intergenerationelles Gerechtigkeitsprinzip durchsetzen [will]“ ]“ (Rogall 2012, 2013).
Dies impliziert Umweltqualität, ökonomischen Wohlstand und soziale Gleichheit zu schaffen schaffen (Kirchherr et al. 2017). Mit der Zirkulären Wertschöpfung bestehen insbesondere Bezüge zum SDG 12 Verantwortungsvolle Konsum- und Produktionsmuster, aber auch zu SDG 8 Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum und SDG 9 Industrie, Innovation und Infrastruktur, und auch weiteren.
Kirchherr, Julian; Reike, Denise; Hekkert, Marko (2017): Conceptualizing the circular economy: An analysis of 114 definitions. In: Resources, Conservation and Recycling 127, S. 221–232. DOI: 10.1016/j.resconrec.2017.09.005.
Potting, José; Worrell, Ernst; Hekkert, M. P. (2017): Circular Economy: Measuring innovation in the product chain. Hg. v. PBL Netherlands Environmental Assessment Agency. PBL Netherlands Environmental Assessment Agency. The Hague. Online verfügbar unter https://www.researchgate.net/publication/319314335_Circular_Economy_Measuring_innovation_in_the_product_chain/figures, zuletzt geprüft am 23.01.2021.
Rogall, Holger (2012): Nachhaltige Ökonomie. Ökonomische Theorie und Praxis einer Nachhaltigen Entwicklung ; [Grenzen der natürlichen Tragfähigkeit: Ökonomie, Ökologie, Soziales. Unter Mitarbeit von Stefan Klinski, Anja Grothe und Ernst Ulrich von Weizsäcker. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Marburg: Metropolis-Verlag (Grundlagen der Wirtschaftswissenschaft, 15).
Rogall, Holger (2013): Volkswirtschaftslehre für Sozialwissenschaftler. Einführung in eine zukunftsfähige Wirtschaftslehre. 2. Aufl. Wiesbaden: Springer.
Ziele für nachhaltige Entwicklung
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Etablierung Zirkulärer Wertschöpfung
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