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Ivonne Caballero Echeverría

Zirkularität messen: Drei Beispiele aus der Textilindustrie

Die Textilindustrie sieht sich heute mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert: von volatilen Energiemärkten und stark steigenden Rohstoffkosten bis hin zu fragilen Lieferketten und eskalierenden geopolitischen Spannungen. Hinzu kommen extreme Wetterbedingungen und die weltweite Verknappung natürlicher Ressourcen. Als Reaktion darauf streben auch immer mehr Textilunternehmen den Übergang von einem linearen zu einem zirkulären Geschäftsmodell und zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise an. Um messbare Fortschritte erzielen zu können, müssen jedoch klare Ziele und Leistungsindikatoren (KPIs) festgelegt werden.

Die folgenden Unternehmen zeigen, wie Nachhaltigkeit und zirkuläre Wertschöpfung in ihren Strategien verankert sind. Der Text beleuchtet wesentliche Instrumente, Rahmenbedingungen und Kennzahlen, welche die Unternehmen auf dem Weg zur Zirkularität leiten und dabei helfen, die vielschichtigen Aspekte der Nachhaltigkeit zu integrieren.

FREITAG: Taschen aus Recyclingmaterialien

Zur Umsetzung seines Purpose-Mottos „Intelligent design for a circular future“ definiert der Schweizer Taschen-Hersteller FREITAG eine „Circularity Roadmap“ auf Unternehmens-, Produkt- und Dienstleistungsebene. Ziel ist es, sich vollständig von der linearen Wirtschaft zu lösen. Um die Fortschritte auf diesem Weg bewerten zu können, hat sich FREITAG messbare Ziele bis 2030 gesetzt (FREITAG 2022, S. 10).

Produktdesign und Materialauswahl sind bei FREITAG Schlüsselelemente für den Übergang zur Zirkularität. Bis 2030 sollen 99 % der Produkte kreislauffähig sein. Die Entwicklungsstrategie basiert auf der Verwendung hochgradig recycelbarer Materialien und einem Fokus auf Qualität und Langlebigkeit. Als Kennzahl dient der Anteil der eingesetzten Materialien, die recycelt, neu oder wiederverwendet oder als B-Ware klassifiziert sind, d.h. Materialien, die nicht den Standardanforderungen entsprechen, aber dennoch zu neuen Produkten werden (FREITAG 2022, S. 25).

FREITAG produziert und vertreibt jährlich rund 500.000 Taschen und Accessoires aus Recyclingmaterialien wie gebrauchten LKW-Planen, ausgedienten Fahrradschläuchen und Autogurten. Über 95 % des Umsatzes erzielt das Unternehmen mit den Taschen- und Accessoire-Modellen (FREITAG 2022, S. 7).

Zu den zentralen Zielen der „Roadmap“ gehört außerdem die Reduktion der CO2-Emissionen. Dazu hat sich das Unternehmen auf einen Reduktionspfad bis 2050 gemäß der Science Based Target Initiative (SBTi) verpflichtet, der eine Senkung der Scope-1-und-2-Emissionen bis 2030 um 42 % und eine Senkung der Emissionen in Scope 1, 2 und 3 gegenüber dem Basisjahr 2021 vorsieht (FREITAG 2022, S. 38 ff). Die größten Hebel für die Emissionsreduktion liegen zum einen bei der Distribution der Produkte, zum anderen bei der Wahl zirkulärer Materialien und bei der Reduktion des Planenabfalls, also in zirkulären Strategien.

DECATHLON: Lineare Risiken und zirkuläre Chancen identifizieren

DECATHLON definiert Risiko als die Möglichkeit, dass sich ein Ereignis auf das Human-, Umwelt-, Sach-, Finanz- und Reputationskapital des Unternehmens auswirkt (Decathlon 2022, S. 13). Jedes Jahr analysiert DECATHLON seine Nachhaltigkeitsprioritäten, die mit Hilfe der Wesentlichkeitsanalyse identifiziert und priorisiert werden. Dieser Ansatz ermöglicht es, die strategischen Entscheidungen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung zu stärken, aufkommende Probleme zu erkennen, sich auf Richtlinien wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) vorzubereiten und die erforderlichen Ressourcen kurz-, mittel- und langfristig zuzuweisen. Die Wesentlichkeitsanalyse ist auch ein erster Baustein für die Erstellung der Risikokarte, ein Instrument, das von den Risikoreferenten des Unternehmens verwendet wird (Decathlon 2022, S. 11).

Als Ergebnis der Wesentlichkeitsanalyse von DECATHLON, bei der sowohl Risiken als auch Chancen hinsichtlich ihrer Auswirkungen bewertet wurden, hat das Unternehmen den Ressourcenschutz und die Förderung der Zirkularität als Hauptprioritäten identifiziert. Zu den identifizierten Risiken gehören die Umweltverschmutzung und die fortschreitende Verringerung der Verfügbarkeit und Qualität von Ressourcen. Chancen werden dagegen in der Reduzierung von Emissionen und Schadstoffen sowie in der Ressourcenschonung und -effizienz entlang der gesamten Wertschöpfungskette gesehen (Decathlon 2022, S. 12-13).

Das Unternehmen hat zwei strategische Bereiche definiert, um die Gesamtauswirkungen des Unternehmens auf die Umwelt durch Ökodesign und durch die Umgestaltung des Produktangebots im Sinne einer Zirkularität zu reduzieren (Decathlon 2022, S. 91).

Dabei konzentriert es sich auf Schlüsselindikatoren wie Klimawandel, Luftverschmutzung, Verbrauch fossiler Ressourcen und Eutrophierung von Gewässern. Um als Ökodesign-Produkt zu gelten, muss es bestimmte Kriterien erfüllen: So müssen die Auswirkungen des Produkts auf mindestens zwei Indikatoren (darunter die CO2-Emissionen) im Vergleich zum Vorgängerprodukt (vor der Umsetzung von Ökodesign-Prinzipien) um 10 % reduziert werden (Decathlon 2022, S. 92).

Darüber hinaus hat sich DECATHLON zum Ziel gesetzt, bis 2026 100 % seines Umsatzes mit Ökodesign-Produkten zu erzielen (Decathlon 2022, S. 219). Dies lässt sich anhand von Indikatoren wie dem Anteil der in den DECATHLON-Werkstätten reparierten (als reparierbar eingestuften) Produkte oder der Anzahl der Abonnements und Langzeitvermietungen von DECATHLON-Produkten messen (Decathlon 2022, S. 200).

BCome: Digitales Nachhaltigkeitsmanagement in der Textilbranche

BCome ist eine Plattform für digitales Nachhaltigkeitsmanagement in der Modebranche, die Rückverfolgbarkeit, Nachhaltigkeitsbewertung und Berichterstattung ermöglicht. Modeunternehmen können mit ihrer Hilfe wichtige Daten entlang der gesamten Wertschöpfungskette sammeln und auf dieser Basis fundierte Entscheidungen treffen. Durch die Nutzung von inzwischen mehr als 50 Markenpartnern konnte BCome eine robuste Datenbank aufbauen (BCome o.J.).

Der erste Schritt in BCome beginnt einer vollständigen Lebenszyklusanalyse auf der Grundlage der ISO-Normen 14040 und 14044. Dabei wird der Weg eines Produktes von der Rohstoffgewinnung bis zum Verkauf („cradle-to-gate“) betrachtet (BCome 2023).

Für jedes Kleidungsstück werden die Umweltauswirkungen in jeder Phase des Lebenszyklus anhand von vier Indikatoren quantifiziert:

1. Die Wasserknappheit wird in m3 Wasser-Äquivalent nach der Methode Available Water Remaining (AWARE) bewertet, die nicht nur den Verbrauch, sondern auch die Auswirkungen der Wasserentnahme berücksichtigt, was in dürregefährdeten Regionen von entscheidender Bedeutung ist.

2. Die globale Erwärmung wird in Kilogramm CO2-Äquivalent gemessen, wobei die IPCC 2013-Richtlinien für die Berechnung von Treibhausgasemissionen einschließlich CO2, Methan und Lachgas verwendet werden.

3. Eutrophierung, d.h. die Anreicherung von Gewässern mit Nährstoffen, die zu übermäßigem Algenwachstum und Verlust an biologischer Vielfalt führt, wird in Gramm Phosphat-Äquivalent gemessen. Diese Metrik berücksichtigt den Einsatz und Abfluss von Chemikalien und hebt deren Auswirkungen auf die aquatischen Ökosysteme hervor.

4. Die abiotische Erschöpfung schließlich konzentriert sich auf den Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen wie fossiler Brennstoffe während des Lebenszyklus eines Kleidungsstücks und berücksichtigt die Umweltbelastung durch synthetische Materialien, die zur Verschmutzung durch Mikrofasern und Mikroplastik beitragen. Diese Indikatoren ermöglichen es den Marken unter anderem, ihre Leistung mit Benchmarks zu vergleichen (BCome 2023).

Darüber hinaus hat das Unternehmen einen Eco-Score entwickelt, das auf den Empfehlungen der Europäischen Kommission basiert und die Leistung eines Produkts in vier Bereichen auf einer Skala von null bis zehn bewertet: Umwelt, Mensch, Zirkularität und Transparenz. In die Bewertung fließen Unternehmenszertifizierungen, Datenkommunikationspraktiken, die Recyclingfähigkeit von Materialien und die Rückverfolgbarkeit der Wertschöpfungskette ein (BCome, o.J.).

Bewertung der Zirkularität

Für die Bewertung der Zirkularität müssen Firmen wichtige Daten zu den Rohstoffen bereitstellen. BCome bietet ein CEI-Tool an, das auf der Methodik des Material Circularity Indicator (MCI) der Ellen MacArthur Foundation zur Analyse von Materialflüssen basiert. Das CEI-Tool zeigt Kreislaufdaten zu Rohstoffen, Ökodesign-Praktiken und dem Ende des Lebenszyklus an und fasst alle Daten in einem Bericht zusammen (BCome 2024).

Die Datenerhebung erfolgt ähnlich wie bei der Rückverfolgbarkeit. Die Definition und der Umfang der Komponenten der Wertschöpfungskette von der Rohstoffgewinnung bis zum Ende der Nutzungsdauer werden auf zwei Ebenen erfasst: Artikel und Material (BCome, o.J.).
Für Artikel muss das Unternehmen die Liste der Materialien, die Dauer und Intensität der Nutzung und die Verlustrate während der Produktion angeben. Zu den Materialien werden Informationen über die Menge der recycelten, wiederverwendeten und in der Zusammensetzung des Artikels verbleibenden Materialien gesammelt sowie über die Verlustrate während der Materialumwandlung (BCome, o.J.).

Das CEI-Tool berücksichtigt auch Indikatoren wie den Anteil der Produkte, die zur Wiederverwendung bestimmt sind und über Sammel- und Rücknahmesysteme gesammelt werden. Ein weiterer wichtiger Indikator ist der Anteil der gesammelten Produkte, die einem Kompostierungsprozess zugeführt werden, sowie die Recyclingeffizienz.

Literaturverzeichnis

BCome (2023): Live demo: Introduction to BCome Global Sustainability Platform. Online verfügbar unter https://www.youtube.com/watch?v=R0YeShCaydo, zuletzt geprüft am 21.02.2024.

BCome (Hg.) (2024): Discover the circularity index of your materials. Online verfügbar unter https://bcome.biz/help-center/tutorials/discover-the-circularity-index-of-your-materials, zuletzt geprüft am 21.02.2024

BCome (Hg.) (o.J.): How BCome’s CEI simplifies measuring your fashion item’s circular performance. Online verfügbar unter https://bcome.biz/blog/how-bcomes-cei-simplifies-measuring-your-fashion-items-circular-performance/, zuletzt geprüft am 21.02.2024

Decathlon (Hg.) (2022): Non-Financial Reporting Declaration. Online verfügbar unter https://sustainability.decathlon.com/decathlon-annual-sustainable-development-reports, zuletzt geprüft am 21.02.2024

Freitag (Hg.) (2022): Impact Report 2022. Online verfügbar unter https://www.freitag.ch/de/circularity-roadmap, zuletzt geprüft am 20.02.2024.

 

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Mit dem Thema dieses Beitrags beschäftigt sich in ausführlicherer Form auch der Artikel Mit KPIs die zirkuläre Wertschöpfung und ihre Nachhaltigkeitswirkung messbar machen aus unserer Reihe „Prospektiven – Neues zur zirkulären Wertschöpfung“ (2023/2).