Friederike von Unruh vom Prosperkolleg Team.

von Friederike v. Unruh

Am 6.08.2020 fand das bereits vierte Web-Seminar des Virtuellen Forschungsnetzwerks Zirkuläre Wertschöpfung NRW statt. Thema dieses Mal war: “Circular Supply Chain Management und globale Lieferketten – Forschungslücke in der Zirkulären Wertschöpfung und Ansatz im Rahmen eines Lieferkettengesetzes?“

Nach einer kurzen Begrüßung begann Denis Daus, Doktorand am Lehrstuhl für Unternehmenslogistik der TU Dortmund, in der Rubrik „das Netzwerk stellt sich vor“, in der Mitglieder des Forschungsnetzwerks die Möglichkeit bekommen, sich und ihre Forschungsarbeit zu präsentieren. In seinem Vortrag stellte Denis Daus seine Idee des Circular Supply Chain Managements (SCM) vor und ging auf die Transformation von (linearen) Wertschöpfungsketten hin zu Wertschöpfungskreisläufen ein. Durch Zusammenführen des etablierten Ansatzes des SCM mit der Zirkulären Wertschöpfung möchte Denis Daus einen innovativen Beitrag hierzu leisten.

Der Vortrag begann mit der Motivation zum Circular SCM: Weltweit steigen der Ressourcen- und Materialverbrauch erheblich trotz der endlichen Rohstoffverfügbarkeit. Materialkreisläufe werden nicht geschlossen, so dass „Abfälle“ in unsere Umwelt gelangen und für Verschmutzung der Natur und Verlust der Biodiversität sorgen. Auch verändern sich die Materialflüsse, denn nach jahrelangen Optimierungen der grenzüberschreitenden Logistik geht jetzt der Trend in Richtung zentral gesteuerter, lokaler und nachhaltiger Versorgungskonzepte.


Nach der Erläuterung der Motivation zum Circular SCM wurde zunächst das traditionelle SCM erklärt. Es beschreibt allgemein die Planung, Steuerung und Kontrolle der inner- und überbetrieblichen Lieferkette eines Unternehmens. Der Aufbau der Lieferkette ist entscheidend für den Verbrauch von Ressourcen und Energie sowie für etwa auftretende Umweltauswirklungen wie den CO2-Ausstoß oder eine anderweitige Verschmutzung der Umwelt.

Die Circular Economy (CE) möchte Materialien im Kreislauf führen und die Lebensdauer von Produkten und Materialien verlängern. In der Literatur ist dies ein bekanntes, ganzheitliches Konzept, das aber noch nicht ganz ausgereift ist. Es besteht zudem eine erhebliche Lücke zwischen der Anwendung des Konzepts in der Praxis und der Theorie. Auch ist eine Verknüpfung des SCM mit der CE sowohl in Theorie als auch Praxis kaum gegeben. Erste wissenschaftliche Paper zeigen bereits, dass diese Kombination notwendig ist. Für eine Transformation der Wirtschaft hin zu einer CE müsste die Zirkularität auch in die Lieferketten integriert werden. Dazu sind in der Praxis geeignete Management-Ansätze erforderlich, was ein Circular SCM nahelegt.

Für seine Forschungsarbeit hat Denis Daus unterschiedliche CE-Modelle untersucht und analysiert. Hier wird bereits deutlich, dass es in der Literatur kein einheitliches Verständnis des Circular-Economy Konzepts gibt und, dass viele verschiedene thematische Schwerpunkte gesetzt werden. Zudem sollten die Konzepte in der Praxis implementierbar sein. Aus einer Dissertation von Frodermann (2018)* hat Daus Charakteristika entnommen, die ein CE-Modell erfüllen sollte, um praxisrelevant beziehungsweise implementierbar zu sein, und diese mit den untersuchten CE-Modellen gespiegelt. Die 10 R-Typologie von Reike et al. (2018)** erfüllt laut Daus als einzige der untersuchten CE-Modelle alle Charakteristika für einen implementierbaren Ansatz. Auf dieser Grundlage soll die Forschung für einen anwendungsorientierten Circular SCM-Ansatz fortgeführt werden.

Svenja Grauel (Projektleiterin) und Friederike von Unruh (Leiterin Forschungsnetzwerk) moderierten die anschließende Fragerunde, die sich um das Weitere Vorgehen der Untersuchung, die Akzeptanz von zirkulären Maßnahmen in der Praxis und einen möglichem Branchenfokus drehte. Auch wurde darauf hingewiesen, dass der Mensch eine entscheidende Rolle in der Umsetzung der CE spielt und die emotionale sowie persönliche und soziale Komponente häufig vernachlässigt wird.

In dem zweiten Vortrag sprach Eva-Maria Reinwald (SÜDWIND e.V.) über „Unternehmensverantwortung global – Auf dem Weg zu einem Lieferkettengesetz“. Wie hochaktuell das Thema momentan ist, zeigt die Ankündigung eines Lieferkettengesetz von Arbeitsminister Heil und Entwicklungsminister Müller Mitte Juni 2020. Seitdem wird in der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft debattiert.

Der Vortrag begann mit traurigen Bildern von Menschenrechtsverstößen in globalen Lieferketten. Eines der bekanntesten ist wohl das der 2013 eingestürzten Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch, wobei unzählige Menschen in den Tod gerissen wurden. Menschenrechtsverletzungen in den Rohstoffketten können auf unterschiedliche Weise geschehen: durch Kinderarbeit, Zerstörung von Lebensräumen, Gefahren für Gesundheit und Leben, Vertreibung und viele weitere.

Eva-Maria Reinwald erklärte, dass global der UN-Menschenrechtsrat Leitprinzipien für Menschenrechte und Wirtschaft erarbeitet hat, die einen Empfehlungskatalog zum Thema Wirtschaft und Menschenrechte bieten. Diese basieren auf drei Säulen: Staatliche Schutzpflichten, unternehmerische Verantwortung und Zugang zu Abhilfe durch Rechtsmittel und Beschwerdemechanismen.

Deutsche Unternehmen müssen bisher für Menschen- und Umweltverletzungen ihrer Zulieferer aus dem Ausland keine rechtliche Verantwortung übernehmen. Hier sollte die Umsetzung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten zunächst auf freiwilliger Basis erfolgen. Der „Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte“ von 2016 beinhaltet eine Überprüfung der freiwilligen Maßnahmen. Falls diese nicht greifen, sieht der Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2018 gesetzliche Regelungen vor. Unternehmensbefragungen zeigten nun, dass die Ziele der freiwilligen Regelungen kaum erfüllt werden, woraufhin die Minister Heil und Müller das Lieferkettengesetz ankündigten. Eva-Maria Reinwald berichtet, dass die Resonanz in der Wirtschaft unterschiedlich sei: Eine Reihe deutscher Unternehmen begrüßen diesen Schritt, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, die großen Wirtschaftsverbände stellen sich jedoch gegen ein Gesetz. Die Initiative Lieferkettengesetz fordert die Verankerung der menschenrechtlichen und ökologischen Sorgfaltspflicht von Unternehmen im deutschen Recht. Aber nicht nur in Deutschland gibt es Ankündigungen zu einem Lieferkettengesetz. Auch EU-Justizkommissar Didier Reynders kündigte Ende April verbindliche Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette für die europäische Ebene an.

Zum Ende des Vortrages nahm Eva-Maria Reinwald Bezug auf die Kreislaufwirtschaft/Zirkuläre Wertschöpfung. Hierzu gibt es keine Vorgaben im Lieferkettengesetz. Jedoch werden Unternehmen dadurch dazu angeregt, ihre Beschaffungsprozesse zu überdenken und gewinnen dabei wertvolle Erkenntnisse über ihre eigene Liefer- bzw. Wertschöpfungskette sowie die verwendeten Rohstoffe. Beispielweise kann die Verwendung von Sekundärrohstoffen die Verletzung von Menschenrechten und Umweltschäden mindern, wenn diese in unproblematischen Verfahren wiederaufbereitet werden.

In der nachfolgenden Diskussion kam die Frage, ob das Lieferkettengesetz nicht ein Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Ländern sei. Jedoch wird die gesetzliche Regulierung häufig von Ländern angestoßen, die unter den Menschenrechtsverletzungen im Rohstoffabbau leiden. Im Hinblick auf die Circular Economy könnte eine Beschaffung von Rohstoffen mit Auflagen auch die Wiederverwendung von Roh- und Reststoffen fördern. Auch wurde nach dem Impact Assessment gefragt, wozu es bis jetzt aber noch keine Studien gibt.

Es war wieder einmal ein toller Austausch mit allen Teilnehmer*innen und den beiden Referenten. Vielen Dank für Ihre Teilnahme, wir freuen uns Sie im nächsten Web-Seminar am 3.09.2020 wiederzusehen.

*Frodermann, L. (2018) “Exploratory Study on Circular Economy Approaches: A Comparative Analysis of Theory and Practice”, Wirtschaftsethik in der globalisierten Welt, Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden.

**Reike, D.; Vermeulen, W.; Witjes, S. (2018): “The circular economy: New or Refurbished as CE 3.0? — Exploring Controversies in the Conceptualization of the Circular Economy through a Focus on History and Resource Value Retention Options”, in: Resources, Conservation and Recycling, Vol. 135, August 2018, S. 246-264.