Virtuelles Forschungsnetzwerk

Das Bild zeigt Anna-Katharina Jung eine Frau mit blonden langen Haaren, einer großen Brille und einem großen Lächeln.

Anna-Katharina Jung

Kunststoffverpackungen in der Circular Economy

Seit April 2024 wird die Webseminarreihe #CEresearchNRW unter der Flagge des Projekts „Circular Perfomer Emscher Lippe (CirPEL)“ weitergeführt – aber auch künftig geht es um aktuelle Forschung und Praxisberichte rund um die Circular Economy. Am 10.10.2024 standen innovative Lösungen im Bereich der Kunststoffverpackungen im Mittelpunkt.

Kunststoff: Essenzieller Werkstoff mit schlechtem Image

Im Bereich der Verpackungen sind Kunststoffe ein Allroundtalent: Ob als Gebinde für die Pharmaindustrie, Flaschen für Getränke, oder als Farbeimer. Kunststoffe finden sich überall. In seiner Einleitung zum Webseminar “Kunststoffverpackungen in der Circular Economy” zeichnete Prof. Thomas Brümmer (Westfälische Hochschule Gelsenkirchen, Fachgruppenleiter des Bereichs Kunststoffe im CirPEL-Projekt) den kometenhaften, vorurteilsfreien Aufstieg der Kunststoffe seit den 50er Jahren nach. Nachdem Hersteller viele Jahre von den großen Vorteilen der günstigen, energiearmen Massenproduktion von Kunststoffen profitiert haben, stehen heute oft deren Risiken und Auswirkungen Vordergrund. Sowohl die Auswirkungen auf menschliche und tierische Organismen als auch Umweltverschmutzung und geringe Recyclingquoten werden immer wieder diskutiert.

Kunststoffe im Kreislauf halten

Aus Sicht von Thomas Brümmer gibt es zurzeit drei gängige Aufbereitungsmethoden:

  1. Die werkstoffliche Verwertung
  2. Die rohstoffliche Verwertung
  3. Die thermische Verwertung

Die werkstoffliche Verwertung, bei der die Polymerketten weitestgehend erhalten bleiben, sowie die thermische Verwertung sind bereits etablierte Verfahren. Die rohstoffliche Verwertung, bei der die Polymerketten wieder in Monomerbausteine umgewandelt und anschließend aufbereitet werden, hat sich  im Industriemaßstab bisher noch nicht etabliert.

Die Perspektive eines Verpackungsherstellers

Gemeinsam mit Markus Kiryc (Westfälische Hochschule Gelsenkirchen) begrüßte Prof. Thomas Brümmer den Keynote-Speaker des Webseminars Dr. Karl Hagspiel Circular Economy Experte bei dem österreichischen Unternehmen ALPLA.

Das Bild zeigt Dr. Hagspiel einen etwas älteren weißen Mann mit grauen Haaren, hellblauem Hemd und Brille. Er ist Ecperte für Kunststoffverpackungen in der Circular Economy.
Dr. Karl Hagspiel (Foto: privat)
Keyfacts zu ALPLA
  • 23.000 Mitarbeiter*innen
  • 196 Produktionsstätten in 47 Ländern
  • 4.7 bn revenue
Plastik ist nicht gleich Plastik

Zu Beginn seines Vortrags machte Dr. Hagspiel klar: Plastik ist nicht gleich Plastik. Der Werkstoff kann in vier Kerngruppen aufgeteilt werden: nicht biologisch abbaubare Kunststoffe auf fossiler Basis (z.B. Polyethylene und Polypropylene), biologisch abbaubare Kunststoffe auf fossiler Basis (z.B. Polybutyleneadipat-Terephalat), biologisch basierte und biologischabbaure Kunststoffe (z.B. auf Cellulose Basis), sowie biologisch basierte, aber nicht biologisch abbaubare Kunststoffe (z.B. Biopolythene).

Die Firma ALPLA produziert Verpackungen für zahlreiche Branchen, von Beautycare, über die Pharmaindustrie bis hin zu Lebensmittelverpackungen. Hierbei ist es wichtig, dass die Verpackungen formstabil sind, weshalb ALPLA auf die Hauptwerkstoffe Polyethylenterephthalat (PET) und Polyethylen (PE) setzt. 

Die Produktion zum Kunden bringen

Eine der wichtigsten “Reduce and Replace”-Strategien von ALPLA ist es, die Produktion der Verpackungen direkt beim Kunden vor Ort umzusetzen. Auf diesem Weg spart ALPLA sich die Emissionen, die während des Transportweges entstehen. Darüber hinaus werden Lagerflächen gespart und Hygienestandards können noch besser eingehalten werden. Mit derzeit 68 Inhouse-Produktionen konnten allein 2023 157.000 Tonnen CO2 eingespart werden.

Design als Schlüssel zur Materialersparnis

Eines der Kernprodukte der Firma ALPLA ist die Kunststoff-Getränkeflasche. In den vergangenen Jahren entwickelte das Unternehmen das Design der Getränkefalschen kontinuierlich weiter.  Mit Hilfe von Computersimulationen wurde identifiziert an welcher Stelle Materialeinsparungen möglich sind. Vor allem am Boden und der Schulter der Flasche wurde Material eingespart, sodass z.B. der Materialeinsatz für 1.5-L-Kunststoffflaschen seit dem Jahr 2000 um 38% gesenkt werden konnte. Im Fokus steht hier vor allem die Veränderung und Optimierung der Geometrie, chemisch-physikalische Anpassungen haben nur einen geringen Einfluss. 

Herausforderungen der Rezyklatsteigerung
Wenn es darum geht den Anteil von recyceltem Kunststoff in Verpackungen zu steigern, unterscheiden sich die verschiedenen Arten des Plastik. Während es bei PET relativ einfach umsetzbar ist einen Recyclinganteil von 50-70% oder sogar 100% umzusetzen, ist dies bei High-Density-Polyethylene (HDPE) schwieriger. HDPE neigt z.B. dazu das Aroma des Füllstoffes anzunehmen. Würde also ein Kunststoffgebinde aus HDPE recycelt, das zuvor mit einem stark duftenden Duschgel befüllt war, würde dieser Duft auch dem Rezyklat weiterhin anhaften und sich mit anderen absorbierten Aromen vermischen. Deshalb wird alles HDPE Rezyklat intensiv desodoriert. Dennoch darf recyceltes HDPE in Europa noch nicht im Lebensmittelbereich verwendet werden. Wird recyceltes PET für die Lebensmittelbranche eingesetzt, gibt es auch hier strenge Auflagen: 95% des recycelten PETs müssen aus dem Food-and-Beverage Bereich stammen. Die Herausforderungen für Lebensmittelverpackungen, auch Kunststoffverpackungen in der Circular Economy, waren schon einmal im Rahmen der Circular Economy Action Plans-Webseminarreihe im Fokus. 

Verpackungen, denen ein höherer Recyclinganteil beigemischt wird, dürfen trotzdem keine ernstzunehmenden Einbußen in ihrer Qualität haben. Insbesondere in der Lebensmittelbranche und im Einzelhandel müssen besondere Standards eingehalten werden. Ein Joghurtbecher muss z.B. aus einer Höhe von 1,5 Metern fallen können, ohne zu zerbrechen und gut stapelbar sein.  Dr. Hagspiel schätzte einen maximal 15 fachen Umlauf als realistisch ein, bevor die Qualität, oder das optische Erscheinungsbild der wiederbefüllten PET-Flasche zu stark verringert ist.

Reuse and Recycle Strategien
Neben Einwegverpackungen stellt ALPLA auch für verschiedene Kunden Mehrwegverpackungen her. Vor allem Getränkeflaschen für verschiedene Abfüller stehen hier im Mittelpunkt. Je häufiger die Getränkeflaschen wiederverwendet werden sollen, desto robuster muss die Flasche sein. Durch eine dickere Flasche kann z.B. für Coca Cola in Amerika eine maximale Nutzung von 25 Befüllungen erzielt werden. 

Ganz aktuell hat ALPLA mit den Firmen Sea Me GmbH  und Zerooo eine Mehrwegflasche aus PET für die Kosmetikindustrie entwickelt. Hierzu werden aktuell 20.000 Rückgabestellen etabliert, wo man die leeren Behältnisse zurückgeben kann und die entrichteten 50 Cent Pfand zurück erhält. Die Flaschen und Pumpbehältnisse werden aus Monomaterialien hergestellt, damit die gesamten Gebinde recyclebar sind und der Gesamtrezyklatanteil erfüllt werden kann. 

ALPLA als Recycler
Aktuell hat ALPLA in zehn Ländern insgesamt 13 Recyclingwerke und gehört zu den weltweit größten Recyclingunternehmen für Kunststoffe. Hierbei konzentriert sich ALPLA auf das mechanische Recycling. In der Recyclinganlage werden die Kunststoffe nach Farben sortiert, geschreddert und in Flakes geschnitten. Im nächsten Schritte werden die Flakes ein weiteres Mal nach Farben sortiert und dann zu Pellets verarbeitet. So kann ALPLA im Anschluss wieder Produkte in den bevorzugten Farben der Kunden herstellen. Während in vielen Ländern klare und bläuliche Flaschen für Wasser bevorzugt werden, werden z.B. in Kroatien grüne Flaschen nachgefragt. Eine große Herausforderung für das Recycling stellen mehrschichtige Gebinde dar, da so eine farbenreine Sortierung nicht möglich ist und die Farben verunreinigt werden. 

Ein gemeinsamer Ausblick
In der gemeinsamen Dikussion mit der CEresearch Community beleuchtete Dr. Hagspiel im Abschluss die Frage, ob der Kunststoffverpackungen in der Circular Economy eine Zukunft haben. Die Antwort des Experten war ganz klar: Kunstoff ist so flexibel und leicht, dass er weiterhin eine wichtige Rolle in der Zukunft spielen wird. Aus der Sicht von Dr. Hagspiel muss das Thema jedoch auch politisch und Gesamtgesellschaftlich angepackt werden. Jeder muss sich die Frage stellen, ob er Verpackungen nutzen will, die nicht oder nur sehr schlecht recyclebar oder wiederverwendbar sind. Er schlug vor, marktwirtschaftliche Instrumente zu nutzen und den Preis von Verpackungen zu erhöhen, die nicht recyclebar sind. So muss sich jeder die Frage stellen, ob es ihm die aufwendig mehrfach verpackte Praline wert ist. 
 

Wir hoffen, dass Sie auch beim nächsten CEresearch Webseminar dabei sein werden, das voraussichtlich am 07.11.2024 stattfinden wird! 

Bis dahin, ihr CirPEL und Prosperkolleg e.V. Team