Friederike von Unruh vom Prosperkolleg Team.

von Friederike v. Unruh

Am 02.07.2020 war es wieder soweit: Das Virtuelle Forschungsnetzwerk Zirkuläre Wertschöpfung NRW veranstaltete ein weiteres Web-Seminar zu dem Thema „CE Research NRW – Wertschöpfungskette Kunststoff: Wie gestalten wir sie zirkulär?“. Hierbei stand neben der Vorstellung von Methoden zur Bewertung der Zirkulären Wertschöpfung von Produkten und Materialien mit dem Fokus auf Kunststoffen das gegenseitige Kennenlernen der Teilnehmer*innen im Forschungsnetzwerk im Vordergrund.
 

Nach einer kurzen Begrüßung von Friederike von Unruh (Leiterin Forschungsnetzwerk Propserkolleg) ging es gleich los: Anna Schulte (M.Sc.) vom Fraunhofer-Umsicht in Oberhausen machte den Anfang in der neuen Rubrik „Das Netzwerk stellt sich vor“. Hier erhalten Teilnehmer*innen des Virtuellen Forschungsnetzwerks nun die Möglichkeit, sich und ihre Arbeit zu präsentieren sowie Feedback zu ihrer geplanten, laufenden oder abgeschlossenen Forschung zu erhalten.

Mit ihrem Vortrag knüpfte Anna Schulte thematisch an die ersten beiden Web-Seminare an: Dort sprachen Dr. Henning Wilts und Dr. Holger Berg (beide Wuppertal Institut) über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Altkunststoffindustrie, die es nun schwer hat, sich gegen den billigen Kunststoffneupreis durchzusetzen. Julian Mast (Doktorand im Prosperkolleg) ging in der zweiten Veranstaltung mit seinem Stimulus auf die Frage ein, ob Zirkuläre Wertschöpfung lohnenswert ist.

Im ersten Teil ihres Vortrags gab Anna Schulte zunächst einen Einblick in das Fraunhofer Cluster of Excellence „Circular Plastics Economy“ (CCPE®), zu dem sich sechs Fraunhofer-Institute zusammengeschlossen haben. Das Cluster besteht aus drei Divisionen: In der Division „Systems“ geht es darum durch neue Technologien und Vorgehensweisen mehr Kunststoffe in stoffliche Kreisläufe zu bringen und innovative Verfahren für eine effiziente Logistik und Nachhaltigkeitsbewertung zu entwickeln. Die Division „Materials“ strebt die Neu- und Weiterentwicklung biobasierter
Polymere sowie zirkulärer Additive und Compounds an, um Kunststoffe
kreislauffähig zu gestalten. Die Division „Business“ erstellt Prototypen
zirkulärer Produkte und analysiert neue Geschäftsmodelle. Ein solches
Prototyp-Produkt ist ein Kindersitz, das unter anderem ausgesucht wurde,
weil es ein sehr emotionales Produkt ist. Es werden verschiedene
Design-Konzepte für den Kindersitz erprobt, zum Beispiel mit Fokus auf
Multimodalität und Langlebigkeit oder ein modularer Sitz, um einen
Austausch von Komponenten mit anschließender Wiederverwendung zu
ermöglichen. Die innovativen Ideen stammen aus verschiedenen Formaten
wie etwa Hackathons. Ein zweites Prototyp-Produkt ist eine
wiederverwendbare Transportkiste. Für diese wurden verschiedene Sektoren und die daraus resultierenden Anforderungen analysiert, damit die Mehrwegtransportkiste optimal auf das zu transportierende Gut angepasst ist, wie zum Beispiel dem Schutz vor Zerbrechen oder eine gewisse Kühltemperatur.

Im zweiten Teil des Vortrags ging Anna Schulte auf Bewertungsansätze von Produkten und Materialien in der Circular Economy mit dem Fokus auf Kunststoffen ein. Für die Bewertung von Produkten und Produktsystemen wurde ein Circular Readiness Level (CRL) als Selbst-Test entwickelt, um einschätzen zu können, inwieweit zirkuläre Maßnahmen für ein Produkt oder Produktsystem bereits umgesetzt werden. Als Ergebnis erhält man Anregungen im Bereich Produkt-Design, Geschäftsmodell, End-of-Life Management und Closing-the-Loop. Die erste Version des Selbsttests soll voraussichtlich ab Herbst 2020 zur Verfügung stehen und insbesondere Unternehmen ansprechen.

Zusätzlich zum CRL gibt es das sogenannte „Detailed Assessment“, in
dem es dann um die Bewertung der Zirkularität von Produkten und
Materialien, genauso wie das Lebenszyklus-Denken geht. Hierbei steht
insbesondere die Bewertung und Überwachung des Beitrags zirkulärer
Maßnahmen unter Umweltgesichtspunkten im Vordergrund. Bis jetzt geben
Indikatoren eher den Grad der Zirkularität eines Produktes an, es gibt
jedoch keine ganzheitliche Bewertung von Plastik-Produkten. Häufig
werden die Nutzungsphase, die “End-of-Life”-Betrachtung und die
zusätzliche Auswirkung auf die Umwelt nicht einbezogen, so auch die aus
der Persistenz der Kunststoffe resultierenden Umweltwirkungen, wenn
diese durch Littering in die Umwelt gelangen. Doch gerade in der
Nutzungsphase können Umweltvorteile erzielt werden, die durch
kreislaufgerechte Geschäftsmodelle und Gestaltungsprinzipien gefördert
werden können.

Die Maßnahmen der Circular Economy möchten am Produktlebensende (End of Life) die Materialkreisläufe schließen, zirkuläre Maßnahmen sollen in
der Nutzungsphase die Produktnutzung verlängern oder intensivieren.
Diese beiden Punkte sind sehr schwer in einfachen Indikatoren zu
vereinen. Ein Vorschlag, um dem Problem zu begegnen, ist die
Unterscheidung in Produkt- und Materialzirkularität, also ob das Produkt
länger leben oder die Materialien erhalten werden sollen. Ein
Lösungsansatz kann der Einbezug der Nutzungs- und Konsumperspektive in die Bewertung sein, um eine ganzheitliche Bewertung von Produkten
vornehmen zu können.

Nach dem Vortrag moderierten Svenja Grauel (Projektleiterin Prosperkolleg) und Paul Szabo-Müller (Leiter Qualifizierungsbedarfe Prosperkolleg) die anschließende Fragerunde. Hierbei gab es vor allem Rückfragen zum CRL-Test, aber auch zu den beiden Prototyp-Produkten. Als Herausforderung in der momentanen Forschungsarbeit wurden die fehlenden Daten von Endverbraucher*innen über die Nutzungsphase von Produkten angesehen.

Nach der Fragerunde hatten die Teilnehmer*innen Zeit, um sich
vorzustellen und sich kennen zu lernen, denn das Virtuelle
Forschungsnetzwerk möchte auch den persönlichen Austausch zwischen
Forscher*innnen auf dem breiten Gebiet der Zirkulären Wertschöpfung
fördern.

Wir bedanken uns für Ihre Teilnahme am Web-Seminar und würden uns freuen Sie am 06.08.2020 wiederzusehen!
Bis dahin!