Tom Jost im Gespräch mit Dr. Peter Jahns, Effizienz-Agentur NRW
Peter Jahns: Genau das sagen auch die Unternehmen, wenn wir sie anstupsen: „Glauben Sie bitte nicht, dass wir hier verschwenderisch mit unseren Rohstoffen umgehen. Die kosten Geld und wir müssen günstig produzieren.“ Die Effizienz in der Produktion lässt sich verschiedentlich messen – wir sagen: Schaut auf die Ressourceneffizienz, den Einsatz der verwendeten Rohstoffe, und was dabei herauskommt. Zu Beginn solcher Betrachtungen, also in der 1990er Jahren, ging es darum, möglichst wenig Abfall zu produzieren. Heute heißt es zunehmend, bei der Auswahl der Ressourcen den weiteren ökologischen Ansatz zu sehen, etwa vornehmlich nachwachsende Rohstoffe und Recyclingressourcen einzusetzen. Zum Beispiel Sekundär-Aluminium, dessen CO2-Fußabdruck nur ein Fünftel des Abdrucks von Primär-Aluminium beträgt. Das ist nicht nur ökologischer, sondern rechnet sich auch. Somit erreichen wir eine Sensibilisierung, und die Unternehmen sagen jetzt: „Okay, das ist ein anderer Fokus als wir ihn bisher hatten – wir verstehen.“
Peter Jahns: Das Prosperkolleg hat mehrere Arbeitspakete, um zum Ziel zu kommen. Man untersucht den Bedarf für die Transformation in den mittelständischen Unternehmen in der Emscher-Lippe-Region und was geschehen muss, damit die Unternehmen mehr zirkuläre Wertschöpfung leben. Da sind Kommunikationsexpert:innen für die Erstansprache dabei, die Unternehmen sensibilisieren und quasi heranholen. Dann folgt im Arbeitspaket 2 die Beratung vor Ort. Hier geht es darum, die Unternehmen mit dem Thema vertraut zu machen, zu sehen, wo sie geradestehen und ob sie beispielsweise tiefergehende Analysen durch externe Ingenieurbüros durchführen wollen. Das ist unser Part: Wir als Effizienz-Agentur haben den Auftrag (vom NRW Umweltministerium) zu schauen, wie wir die Unternehmen beraten können. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Hochschule Ruhr West werten das Vorgehen dann aus und optimieren die Arbeitsmethodik.
Peter Jahns: Wir schauen generell auf den Prozess und alle Ressourcen, natürlich auf diejenigen, die sehr wertvoll sind, aber auch auf günstige Stoffe, die in Menge anfallen. Wenn zum Beispiel in Prozessen viel Wasser eingesetzt wird, fragen wir: Wie kann man es anstellen, dass nicht riesige Mengen zur Kläranlage gehen oder hier in die Emscher fließen, sondern dass diese im Betrieb bleiben, insbesondere wenn es sich um warmes Wasser handelt? So schauen wir, dass wir insgesamt eine geringere Entnahme haben – weniger Wasser, weniger Luft, weniger Energieträger – und wie man die Nutzung dieser Ressourcen länger in der Technosphäre und im Kreislauf halten kann. Das gilt beispielsweise auch für Kalk und Sandstein. Hier suchen wir nach Möglichkeiten, wie man scheinbar weniger wertvolle Zementfraktionen, die aber sehr energieintensiv und klimaschädlich hergestellt werden, zurückgewinnen und weiterverwenden kann.
Peter Jahns: In der Tat ist das so. CO2 fällt ja immer in der Verbrennung oder in chemischen Prozessen wie der Reduktion von Eisenoxid im Hochofen an. Wenn man CO2-reiche Abgase hat, kann man das CO2 aus diesem Strom abtrennen und als Rohstoff verwenden. In der Chemie passiert das teilweise schon, aber solche Verfahren sind bislang noch aufwändig. Wichtig ist, zu verstehen: Die Produkte, die wir täglich nutzen, ob aus Holz, Metall oder Kunststoff, haben alle schon einen CO2-Fußabdruck und ökologischen Rucksack aus der vorhergehenden Bearbeitung. Bei den Unternehmen, die mit Kunststoff oder Metall arbeiten, sind 70 bis 80 Prozent des CO2 bereits in den zugelieferten Rohstoffen enthalten. Daher wollen wir die Unternehmen sensibilisieren, Rohstoffe aus der Lieferkette zu verwenden, die schon CO2-reduziert sind, um insgesamt, wenn der CO2-Fussabdruck aus der Verarbeitung hinzukommt, zu einem kleineren Fußabdruck zu kommen. Man wirbt heute mit Autos, die im Fahrbetrieb einen kleineren CO2-Wert aufweisen – es lässt sich aber bereits in der Herstellung viel vermeiden.
Peter Jahns: Das hängt von der Position der Marktteilnehmer ab, ob Hersteller, In-Verkehr-Bringer, Handelsunternehmen oder Recycler. Jeder hat sein Geschäftsmodell und profitiert teilweise von einer kürzeren Lebensdauer eines Produktes oder seiner Reparaturanfälligkeit, aber auch, wenn die Nutzung durch Reparaturen verlängert werden kann. Die meisten Geschäftsmodelle sind linear ausgerichtet: Man produziert etwas, der Konsument konsumiert, danach muss es irgendwann entsorgt werden. Wir müssen also alle Marktteilnehmer jeweils an ihrer Position in der Wertschöpfungskette sensibilisieren, andere Geschäftsmodelle im Sinne der zirkulären Wertschöpfung zu entwickeln, dahingehend die Produkte zu verbessern und dem Kunden weniger Produkte, sondern mehr Services anzubieten – denn wir wollen ja keine Waschmaschine besitzen, sondern zuhause leicht zu sauberer Wäsche gelangen. Widerstände gibt es bei großen Unternehmen mit eingefahrenen Geschäftsmodellen, nicht so bei kleineren Mittelständlern, die mit einer neuen Idee auf den Markt kommen und ihn durcheinanderbringen oder sich in einer Marktnische bewegen können. Eine entscheidende Rolle spielen Supermärkte, Kaufhäuser und Online-Plattformen, also der Handel. Denn diese nachhaltigeren Produkte brauchen einen Zugang zum Markt und die Kundinnen und Kunden müssen sie schließlich irgendwo auch kaufen.
Peter Jahns: Das wird oft gesagt – aber viele greifen tatsächlich zu den Standardprodukten, weil sie sich zumeist doch am Preis ausrichten. Das ist heute noch stärker als vor fünf, sechs Jahren, die finanziellen Mittel sind knapper geworden – und in den gegenwärtigen Verhältnissen noch umso mehr. Und dann gibt es verschiedene Siegel, die den Kunden auch nicht immer in die richtige Richtung führen. Wir bräuchten also mehr Bildung bei den Konsumentinnen und Konsumenten, mehr in Richtung nachhaltigen Produzierens, damit da ein Gleichgewicht im Markt entsteht. Und Initiativen wie beispielsweise ein Versandhaus, das für seine 5.000 Elektrotechnikprodukte ein CO2-Label abbildet, damit man sehen kann: Dieses Gerät kostet zwar 20 Prozent mehr, hat aber nur den halben CO2-Fußabdruck. So etwas wird noch zu wenig gemacht.
Peter Jahns: Wir haben in den letzten zwei Jahren eine Methode für den deutschen Markt entwickelt, die auf dem Konzept „Circo“ der niederländischen Hochschule in Delft basiert. Sie hatte den Auftrag vom dortigen Umweltministerium, Unternehmen in das Konzept der zirkulären Ökonomie einzuführen und es zu entwickeln. Diese Methode haben wir ins „Westfälische“ übersetzt und eine Schulung über fünf halbe Tage entwickelt, an denen wir zehn Unternehmen mit jeweils zwei Mitarbeitenden schulen: Wie kann man Produkte zirkulär gestalten – vom Design über die Produktion bis zum Geschäftsmodell? Gibt man die Dinge über die Ladentheke oder verleiht sie, nimmt sie zurück und nutzt sie zirkulär?
Peter Jahns: Wir haben verschiedene Ministerien – für Umwelt, für Wirtschaft für Verbraucherschutz sowie auch das Gesundheitsministerium, das auf die Grenzwerte von Schadstoffen in Recyclingprodukten achtet. Diese vier Ministerien müssten eigentlich intensiv an den Querschnittsthemen zirkuläres Wirtschaften und Ressourcenschonung zusammenarbeiten, um gemeinsam die Entwicklung der Unternehmen und letztendlich des Marktes ganzheitlich in diese Richtung zu fördern. Das ist im Rahmen von fünf Jahren Legislaturperiode schwierig. Aber wie beim CO2-Rucksack aus der Vorlieferkette gilt es auch hier, einen langen Atem zu haben. Ich würde mir wünschen, dass Land und Bund das Thema zusammen mit der EU gesamtheitlich angehen und Hersteller, Konsumenten und Handel beim Thema Ressourcenschonung in eine Blickrichtung bringen. Gerade beginnt eine neue Förderphase von EU-Programmen – und die Ausrichtung dieser Förderinstrumente geht in diese Richtung. Jetzt kommt es auf die praktische Umsetzung an – auch wenn die Zeiten schwierig scheinen.