Start » Ist Digitalisierung das fehlende Puzzlestück für einen zirkulären Einkauf und Lieferketten?
Lambert Schmidt betonte die Notwendigkeit, die Rohstoffherkunft und Verarbeitungsstätten in Branchen wie bspw. Forstwirtschaft oder Fischfang zu kennen, die von Wilderei oder Wildschlag betroffen sind. Für Unternehmen bietet die Blockchain-Technologie die Möglichkeit, die Herkunft transparent und fälschungssicher nachzuweisen. Aus diesem Grund erfolgt eine zunehmende Erforschung der Blockchain-Technologie innerhalb dieser Bereiche, so auch im Projekt BC4SC der Hochschule Ruhr West in Kooperation mit dem Forstunternehmen Egger und weiteren Partnern.
Die Blockchain stellt einen kryptographisch verschlüsselten Datensatz in Form verschiedener Blöcke dar, die beliebig erweiterbar sein können. Im Falle der Bitcoin-Technologie sind diese allerdings begrenzt. Die Blockchain-Datensätze enthalten sämtliche Transaktionsdaten mit Zeitstempel. Diese sind verschlüsselt und können nur von berechtigten Anwendern ausgelesen werden. Private Blockchains liegen dabei bei allen beteiligten Projektpartnern ab und sind daher dezentral gespeichert. Public Blockchains liegen darüber hinaus auch auf anderen Servern ab, die sich nicht in Verfügung der Projektpartner befinden. Durch die simultane Speicherung sind Blockchains fälschungssicher, es kann genau gesteuert werden, welche Informationen von wem einsehbar sind.
Aus diesem Grund stellt die Technologie für das Unternehmen Egger eine Möglichkeit dar, um transparent und für jeden Geschäftspartner nachvollziehbar aufzuzeigen, aus welchem Holz das jeweilige Produkt gefertigt wurde. Im Zuge der Transparenzbemühung muss zukünftig noch geklärt werden, welche Daten wem zugänglich gemacht werden und welche ggf. verschlüsselt übermittelt werden. So kann das Unternehmen im Falle des Holzeinkaufs aufzeigen, durch welchen Fuhreinkauf bestimmte Bestände aus welchen Wäldern geliefert wurden und so den Nachweis erbringen. Schmidt sieht die Technologie als durchaus geeignet an, als Standard für transparente Nachweispflicht in bestimmten Sektoren verwendet zu werden, wie sie aktuell intensiv im Bereich digitaler Produktpässe diskutiert werden.
Schmidt betonte außerdem, dass in zukünftigen Projekten geplant sei, deutlich komplexere Produkte und deren Fertigungsfortschritte stetig zu begleiten. Angedacht sei so eine Erweiterung des Produktsystems von Holzproduktion und -einkauf hin zu der Herstellung eines Möbelteils. So seien auch deutlich komplexere Produkte transparent bzgl. der Rohstoffherkunft und Fertigungsbedingungen darzustellen. Ein mögliches Problem, welches sich aus der transparenten Darstellung der Lieferherkunft ergibt, ist die Bewahrung von Geschäftsgeheimnissen. So sei möglich, dass Händler ihre Einkaufsstrategien aus Transparenzgründen offenlegen müssen und so ihren Wettbewerbsvorteil einbüßen könnten. Jedoch könnten durch Teilverschlüsselungen und
Rechtezuweisungen sensible Daten vor Industriespionage geschützt werden, indem nur gezielte Informationen bei gegenseitigem Einverständnis geteilt werden.
Schmidt relativierte auch den oftmals angeprangerten hohen Energieverbrauch von Blockchains, der kein unlösbares Problem darstelle. Vielmehr sei dieser abhängig vom Anwendungsfall und der ausgewählten Blockchain-Methode. Während beim sogenannten „Proof of Work“-Prozess wie beim Bitcoin eine hohe Rechenleistung nachgewiesen werden muss, sei dies bei der „Proof of Stake“-Methode nicht von Nöten und deshalb der Energieaufwand deutlich geringer.
Katharina Dombrowski berichtete von den Missständen der deutschen Abfallwirtschaft, welche sie zur Gründung der Full-Service-Agentur und Online-Plattform ReUse and Trade motiviert hat, welche Unternehmen bei höherrangiger Verwertung in Form der Wiederverwendung von nicht mehr gebrauchten Produkten oder Gütern unterstützt. So bezeichneten sich einige Entsorger als Recyclingunternehmen, obwohl sie völlig intakte Geräte und teilweise Neuware verschrotten, um an die Materialien heranzukommen oder sie thermisch verwerten zu können.
Die persönliche Erfahrung Dombrowskis spiegelt sich außerdem in der Umsetzung der Abfallhierarchie wider. Während das Recycling eine recht niedere Hierarchiestufe einnimmt, dominiert es in der Realität dennoch mit 65% alle Arten der Abfallbehandlung. Aus diesem Grund entschied sich Dombrowski dazu, eine Agentur auf die Beine zu stellen, durch die weniger Abfälle unnütz entsorgt werden.
Dazu bietet die ReUse and Trade GmbH eine Plattform, die gleichermaßen Vorteile für Käufer, Verkäufer und Umwelt mit sich bringt. Aus Umweltsicht erspart die Weiterverwendung von Produkten die Produktion neuer Produkte. Aus Käufersicht können diese von Preisvorteilen bei intakter und hochwertiger Ware profitieren, die sich bspw. daraus ergeben, dass die Verkäufer Ware aus ihren Lagern loswerden möchten und daher die Ware verbilligt anbieten. Aus Verkäufersicht bietet die Full-Service-Agentur eine Vielzahl an Vorteilen. Die Unternehmen verlangen dabei oftmals Anonymität (Externe sollen nicht von möglichen Fehlern wie Fehlkalkulationen erfahren) und wünschen sich eine enge Beratung in vertrauter Atmosphäre, welche sie auch von Entsorgern gewohnt seien. Zusätzlich sind sie daran interessiert, dass die Ware ohne zusätzlichen Aufwand zeitnah verkauft werden kann.
Dazu bedarf es eines Service, den bestehende Online-Plattformen wie Kleinanzeigen nicht bieten können oder möchten. Dieser umfasst eine spezifische Beratung und branchenübergreifende Vermittlung. Vonseiten der Reuse and Trade GmbH bedarf es dafür einer intensiven Netzwerkarbeit, deren Grundlage das Erreichen einer Vielzahl an potenziellen Endkunden durch digitale Medien ist. Dieser Service wird zunehmend positiv von Unternehmen und auch Privatpersonen angenommen. So finden sich zunehmend sowohl kunden- als auch verkäuferseitig wiederkehrende Partner.