CEresearchNRW: Der EU Circular Economy Action Plan – zirkuläre Textilien?

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Julian Mast


CEresearchNRW:
Der EU Circular Economy Action Plan - zirkuläre Textilien?

Zum bereits zwanzigsten Webseminar lud unser CEresearchNRW-Team zum Thema „zirkuläre Textilien“ im
Kontext des Circular Economy Action Plan. 

Nach der Bauwirtschaft im Februar lag im März daher die Textilwirtschaft als zweite Produktwertschöpfungskette im Betrachtungsfokus. Neben einer erneut großen Schar an Interessierten begrüßten wir außerdem drei Referenten zu Ihren Fachvorträgen. 

Diese waren Prof. Dr. Stefan Schlichter vom Institut für Textiltechnik Augsburg (ITA), Dr. Volker Berding von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und Tobias Herzog von der Tailorlux GmbH aus Münster. Prof. Schlichter erläuterte zum Start der Vorträge die Herausforderungen für die Textilindustrie auf dem Weg zu einer Circular Economy, Dr. Berding präsentierte die Fördermöglichkeiten durch die DBU im Hinblick auf Circular Economy-Maßnahmen in der Textilindustrie. Im abschließenden Vortrag präsentierte uns Geschäftsführer Tobias Herzog die Möglichkeiten, die chemische Markerstoffe seinem Unternehmen zur Sortierung und
Wiederaufbereitung von Textilstoffen bieten.

Prof. Schlichter zeigte zu Beginn seines Vortrages die Wichtigkeit von Umweltbewusstsein im Rahmen des Textilsektors auf. Dieser ist für ca. 10% der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich (ein T-Shirt
benötigt ca. 11 kg CO2-eq. in dessen Produktion). Laut Ellen MacArthur Foundation werden derzeit jedoch lediglich 1% der weltweit bestehenden Textilprodukte recycelt und im Textilkreislauf rückgeführt, während
fast drei Viertel lediglich deponiert oder thermisch verwertet werden konnten. Dies zeige, dass die innerdeutsche Realität der Kreislaufwirtschaft sich stark vom Anspruch unterschiede, den deutsche Entscheidungsträger haben. So stelle die ab 2025 im Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) geregelte getrennte Sammlung von Textilien ein großes Problem in der operativen Umsetzung dar, das von vielen Kommunen bisher nicht gelöst werden konnte. Grund hierfür ist unter anderem die Vielseitigkeit und Multifunktionalität von Textilien. Textilien werden entgegen des allgemeinen Glaubens nicht nur als Bekleidung, sondern auch in weiteren Anwendungen wie bspw. als Windeln, technische Textilien im Automotive-Bereich, Bodenbeläge oder Einsatzstoffe auf Baustellen benötigt und verwendet. Schlichter bezog sich im Laufe seines Vortrags aufgrund begrenzter Zeit vor allem auf die Bekleidungsindustrie, in deren Rahmen er von sinkender Produktqualität und steigender Kollektionsmenge (Fast Fashion) berichtete. 

Die Aktivitäten des Instituts für Textiltechnik Augsburg und Schlichters Lehrstuhl an der Hochschule Augsburg sowie seine Aktivitäten an der RWTH Aachen umfassen daher auch die Erforschung und Anwendung von Recycling- und Kreislaufführungsmöglichkeiten von Textilien. Die Vision des Instituts charakterisiert sich durch längere Nutzung der Textilien. Diese sollen durch Reuse (erneutes Verwenden), Repair (reparieren) und ähnliche Strategien länger im Textilkreis des Wirtschaftssystems verbleiben.
Schlichter betonte, dass eine Kreislaufführung von Textilien nicht damit abgetan sei, diese als Putzlappen im System zu halten, vielmehr benötigen die Unternehmen solche Alternativen, die diesen auch monetäre
Anreize bieten. Die Unternehmen müssen entsprechend noch Geld mit den recycelten Textilien verdienen können. Aus diesem Grund konzipierte das ITA eine Modellwerkstatt, das Recyclingatelier Augsburg. In diesem steht die Produkt- und Prozessentwicklung für textile Sekundärrohstoffe im Vordergrund. Das Konzept des Ateliers umfasst dabei mehrere Analyse- und Verarbeitungsstufen. Diese sind: (1) Materialanalyse, (2) Sortierung (durch sensorische Erfassung), (3) Aufbereitung, (4) Verarbeitung der
Textilien, (5) Spinnerei, (6) Produktgestaltung und (7) Workshop. 

Im zweiten Vortrag stellte Dr. Berding die deutsche Bundesstiftung Umwelt vor. Die Stiftung fördert seit 1991 mehr als 10.000 Projekte, darunter über 50% mit Beteiligung von kleinen und mittelständischen
Unternehmen. Gefördert werden vor allem Projekte mit skalierbaren Verbesserungen der Umweltauswirkungen im Rahmen von industriellen Prozessen und Produkten. Entsprechend sind die übergeordneten Themengebiete der Förderprogramme (1) Umwelttechnik, (2) Umweltforschung und Naturschutz, (3) Umweltkommunikation und Kulturgüterschutz. Im Rahmen dessen entwickelte die DBU die
Förderinitiative DBUcirconomy, in der Wirtschafts- und Gesellschaftsmodelle der Zukunft entwickelt und erprobt werden. Berding betonte, dass Circular Economy trotz der gleichen Begriffsbezeichnung (deutsch: Kreislaufwirtschaft) weit über die schon lange existierende Kreislaufwirtschaft nach KrWG hinaus geht. Die CE umfasse vielmehr ein großes Netzwerk an Akteuren, welche durch den Einsatz ausgewählter Rohstoffe, das Produktdesign, Reparaturnetzwerke u.Ä. gewährleisten, dass Produkte und Materialien längerfristig innerhalb des Wirtschaftssystems verbleiben. Die Erstellung zirkulärer Lösungen geht dabei weit über ein Unternehmen hinaus, vielmehr werden verschiedene betriebliche Einzelkomponenten eng miteinander verzahnt und schaffen so Schnittstellen zwischen einer Vielzahl an Unternehmen. Entsprechend erfordert eine zunehmende Zirkularisierung einen kulturellen Wandel und das Schaffen gemeinsamer Netzwerke. Eine bis heute unterschätzte und wenig untersuchte Rolle nimmt dabei das Verhalten der Konsument:innen ein, diese werden häufig weder in der Forschung, noch in der Praxis in die Lösungsfindung und -entwicklung eingebunden. 

Im Kontext der Förderung zirkulärer Textilprojekte etablierte die DBU die Förderinitiative „Betriebs-übergreifende Lösungen für textile Kreisläufe“. Als besonders förderwürdig stuft die DBU solche Projekte ein, die innovative technische und wirtschaftliche Lösungsansätze bieten, welche zeitnah in die Praxis umgesetzt werden können. Die Lösungen können dabei Ansätze von Wertschöpfungsnetzwerken, Kaskadensysteme für Produkte, Komponenten und Materialien umfassen. Thematisch Vorschläge sind: (1) innovative Geschäftsmodelle, (2) IT-basierte Lösungen für Geschäftsmodelle (bspw. Sharing, Kollaborationsplattformen), (3) Bildungs-, Kommunikations- oder Qualifizierungsnetzwerke zur Umsetzung
zirkulärer Ansätze, (4) innovative Technologien und Verarbeitungsverfahren für Materialmischungen, (5) kreislauffähige Textil-Logistik. Bei Sinnhaftigkeit eines Projektes kann aber auch ein anderes Thema darüber
hinaus gefördert werden. Die Laufzeit der Förderung beträgt dabei bei einem Fördervolumen von 100.000 – 400.000€ zwischen 12 und 36 Monaten. Einreichungsfrist für Projektskizzen der oben genannten Initiative ist der 31.03.22. Für nähere Informationen besuchen Sie gerne die Website der DBU.

Tobias Herzog stellte uns im dritten Vortrag die Lösungsansätze des von ihm repräsentierten Unternehmens Tailorlux GmbH vor, welches bereits von den Fördermaßnahmen der DBU profitieren konnte. Als Ausgründung der Universität Münster entwickelt die Tailorlux GmbH Geschäftsmodelle und Lösungen im Bereich Lieferkettentransparenz und Sortiermöglichkeit. Das Unternehmen bietet einen „Fingerprint“, einen hitzebeständigen und anorganischen Marker, der durch VIS oder NIR-Spektroskopie erkennbar gemacht wird. Durch die eigens entwickelten Sensoren kann entsprechend eine Aussage darüber getroffen werden, ob bestimmte Textilstücke tatsächlich aus der Lieferkette eines ausgewählten Lieferanten stammen. Daraus abgeleitet dienen die Markierungen schon jetzt zwei Anwendungsbeispiele: (1) den Nachweis der Recyclingquote in Textilien und (2) dem Sortierprozess bei großen Volumina.

Für den Nachweis der Recyclingquote werden Markierfasern in das Textilmaterial beigemischt. Durch die Sensoren kann in Realzeit geprüft werden, ob eine ausreichend hohe Quote an recyceltem Material
enthalten ist (dies gelingt durch die Größe des Summensignals). Hier sieht Herzog außerdem Entwicklungspotenzial für die Zukunft. So befinde sich eine KI-Lösung in der Entwicklung, die durch drei Sensoren die Zusammensetzung des Textils vollautomatisch bestimmen soll. 

Die Markierung und Sensorik eignet sich außerdem für großvolumige und schnelle Sortierung von homogenen Materialströmen. Herzog verdeutlichte dies am Beispiel von Silikonkartuschen, die im Rahmen eines UV-Siebdrucks beschichtet wurden. Durch die aufgetragene Beschichtung sollen die NIR-Sensoren diese Kartuschen erfassen, dass diese aussortiert werden. Die aussortierten Kartuschen können so anschließend einem Unternehmen zugeführt werden, das die Silikonreste recyclen kann. Herzog
veranschaulichte an diesem Beispiel das hohe potenzial, das diese Markierung auch für etablierte Unternehmen auf dem Markt darstellt. So kooperieren in diesem Anwendungsbeispiel die Unternehmen Evonik und Henkel. 

Vielen Dank für Ihre Teilnahme an dieser Veranstaltung. Unsere CEAP-Reihe setzen wir am ersten  Donnerstag des Aprils fort. Am 07. April werden wir Ihnen von 15-17 Uhr Vorträge zu den Wertschöpfungsketten Elektronik und Batterien präsentieren.

Bis dahin bleiben Sie gesund, Ihr Prosperkolleg-Team