CEresearchNRW: Der EU Circular Economy Action Plan – Forschung und Praxis in NRW?

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Julian Mast


CEresearchNRW:
Der EU Circular Economy Action Plan - Forschung und Praxis in NRW?

Am 27.01 startete auch das Forschungsnetzwerk NRW mit einem Web-Seminar ins Jahr. 

Das Prosperkolleg stellt das erste Halbjahr 2022 unter das Motto des Circular Economy Action Plan (CEAP), welcher ein zentraler Bestandteil des Green Deals ist. 

Im Verständnis des Prosperkollegs kann der CEAP als Weichensteller für ein zukunftsorientiertes und verantwortungsvolles Wirtschaftssystem gesehen werden, da er großen Einfluss auf die Gestaltung, Nutzung und Entsorgung von Produkten haben kann. 

In den nächsten Monaten werden entsprechend die verschiedenen Themenschwerpunkte des CEAP beleuchtet (bspw. Bauwirtschaft, Textilwirtschaft, Kunststoffe und -verpackungen). 

Zum Start der Reihe durften wir zwei Referent:innen begrüßen, welche das Wesen des CEAP vorstellten und dieses in einem kritischen Kommentar würdigten. Eva Weik vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag e.V. (DIHK) stellte in Ihrer Präsentation „Aktionsplan Kreislaufwirtschaft“ klar, dass der Green Deal für die EU ein „integratives Nachhaltigkeitssystem“ darstellt, das die Erreichung von mehr Nachhaltigkeit und der Umweltziele der EU (wie bspw. Treibhausgasneutralität oder Reduktion von Schadstoffen) ermöglichen soll. Obwohl der CEAP die Gesamtheit des Wirtschaftssystems umfassen soll, sind sieben Schlüsselbereiche im Aktionsplan festgelegt, darunter bspw. Textilien und Kunststoffe. Ziel der EU ist, im Bereich Kreislaufwirtschaft eine weltweite Vorreiterrolle einzunehmen. Neben der Rolle der Politik betonte Weik aber ebenso die Rolle der Unternehmen in diesem Transformationsprozess, da diese oftmals erhebliche Veränderungen im Rahmen ihrer Geschäftsmodelle, Produktionsprozesse oder Lieferketten vornehmen müssen, um oben genannter Zielstellung gerecht zu werden. Da der CEAP Unternehmen jeder Größe betrifft, können und sollen Maßnahmen auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette
entwickelt werden. 

Ein wesentlicher Aspekt des CEAP ist die nachhaltigere Gestaltung von Produkten. Dies kann durch verschiedene Strategien erzielt werden, beispielsweise durch eine haltbarere Produktgestaltung oder
eine angepasste Entwicklung von Produkten, welche das Wiederverwenden, Nachrüsten und/oder Reparieren von Produkten ermöglicht. Ein Ansatz, diese Zielstellungen zu etablieren, ist die
Erweiterung der Ökorichtlinie um Produkte oder ganze Produktkategorien (bspw. um Textilien oder Verpackungen). Eine große Chance für nachhaltigere Produktgestaltung ist laut Weik außerdem die
Integration von digitalen Möglichkeiten in die Entwicklung. So stellt sich die Einführung eines digitalen Produktpasses als neue Möglichkeit dar, auf transparente Art und Weise Informationen über bestimmte Produkte zu erhalten und dies als Grundlage der Kaufentscheidungsfindung zu nehmen.

Weik zeigte auf, dass die konkreten Auswirkungen des CEAP aus momentaner Sicht noch schwierig zu bewerten sei. Zum einen sei es notwendig, massive Investitionen zu tätigen, die eine Transformation
hin zu CE erfordert. Andererseits blickt Weik jedoch vorsichtig optimistisch in die Zukunft, da die Umsetzung des CEAP auch neue Chancen für Innovationen und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle bietet.

Im zweiten Vortrag („Das Verspechen der Zirkularität“) kommentierte Prof. Dr. Christian Schulz von der Universität Luxemburg den CEAP auf Basis eigener Forschungserkenntnisse aus dem regionalen Kontext Schwedens und Luxemburgs kritisch. Prof. Schulz wies darauf hin, dass das Konzept der Circular Economy (CE) nicht neuartig sei, sondern in gewisser Weise eine Renaissance erfährt. Die CE ist aus Ayres Konzept des Industriellen Metabolismus gewachsen und erhält verstärkte Aufmerksamkeit seit Mitte der 2010er Jahre. Diese Aufmerksamkeit spiegelt sich auch in einer
Entschlossenheit der Politik, das Thema voran zu bringen, was durch eine Vielzahl an politischen Konzepten, Studien u.Ä. indiziert wird. Schulz betonte, dass die Umsetzung Circular Economy trotz der EU-weiten Forcierung in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich weit vorangeschritten ist und dass vor allem die BeNeLux-Staaten eine Vorreiterrolle in der Umsetzung einnehmen. Aus Zeitgründen
bezog er sich in seinem Vortrag auf folgende drei Aspekte: Die Wahrnehmung der CE, Barrieren für Industrie und Handwerk und den Charakter des Wirtschaftssystems. 

Bzgl. der Wahrnehmung von CE sah Schulz vor allem einen zu starken Fokus der Unternehmen auf die eigenen Systemgrenzen. Am Beispiel von Stahlerzeugern führte er aus, dass es nicht reicht, nur die Rückführquoten des Stahls zu betrachten (welche sehr hoch sind), vielmehr müsse man auch den damit und mit der Wiederaufbereitung verbundenen Aufwand der Vorketten berücksichtigen. So ist eine erhöhte Kreislaufführung nicht per se als besser zu betrachten, sondern muss ganzheitlich evaluiert und konkreten Alternativszenarien gegenübergestellt werden. 

Bzgl. möglicher Barrieren für Industrie und Handwerk führte Schulz anschließend neben externen Barrieren auch unternehmensinterne Barrieren auf, welche einer Umsetzung von Circular Economy im Weg stehen könnten. Als externe Barrieren führte Schulz zunächst kontraproduktive Normen oder regulatorische Lücken auf, welche den Einsatz von Sekundärmaterial hemmen, obwohl dies potenziell als geeignet für den weiteren Einsatz erscheint (so bspw. in der Baubranche). Als interne Barrieren sah Schulz vor allem den hohen Kapazitätsbedarf an Ressourcen (wie bspw. Know-How), um Geschäftsmodelle oder Produkte anzupassen. 

Innerhalb des dritten kritisch beleuchteten Aspekts setzte sich Schulz mit der Integration der CE in das aktuelle Wirtschaftssystem auseinander. Er stellte fest, dass die Strategien der CE vor allem auf eine Ressourceneffizienzsteigerung abzielen. Ziel der Ansätze ist, Produkte zirkulärer zu gestalten („SUV zu fahren ist völlig in Ordnung, solange dieser zirkulär konstruiert und produziert wird“). Hingegen kommen anderweitige Strategien wie Suffizienz- und Konsistenzstrategie deutlich zu kurz, welche verbunden wären mit weitspannenderen gesellschaftlichen Änderungen. Ausgewählte Ansätze wie Sharing zeigen aber, dass auch solche Ansätze, die die Gesellschaft stärker in den Ansatz einbinden, funktionieren können. Solche Ansätze können einen großen Beitrag zur Erreichung von Nachhaltigkeit leisten, sind aber schwerer mit dem momentanen Konsumverhalten der Wirtschaft vereinbar.

Auf den Vorträgen aufbauend moderierte Paul Szabó-Müller eine Podiumsdiskussion, bei der über beide Referent:innen hinaus außerdem Ulrike Künnemann (InnoZent OWL e.V. / CirQuality OWL), Dr. Manfred Renner (Fraunhofer UMSICHT) und Dr. Hennig Wilts (Wuppertal Institut) teilnahmen. Die Diskussionsteilnehmer:innen waren sich dabei über die Motivation und die Notwendigkeit des Aktionsplans einig. Frau Künnemann machte noch einmal deutlich, dass Unternehmen Unterstützung bei diesen Transformationsprozessen benötigen. Dazu gehören insbesondere stimmige gesetzliche Rahmenbedingungen. Diese müssen mit einem zeitlichen Vorlauf und verständlich an Unternehmen kommuniziert werden, damit diese ihre Strategien entsprechend weiterentwickeln können. Dabei können Multiplikatoren wie Verbände, Netzwerke und Wirtschaftsförderungen sinnvoll unterstützen. 

Auch Dr. Renner lobte die Motivation des CEAP, hob aber gleichermaßen die Rolle der Gesellschaft hervor, die in dieser Form nicht im CEAP berücksichtigt wird. Ähnlich wie Prof. Schulz sieht er den Ansatz des CEAP sehr stark auf die Veränderung der Technologien ausgelegt, zweifelt jedoch daran, dass sämtliche technologischen wirklich notwendig sind. Am Beispiel des VW Golf (Generationen I vs. VIII) zeigte Renner die Entwicklung eines Produktes in den letzten Jahren auf und stellte gleichzeitig die Frage, inwiefern diese Entwicklung zielführend ist. Es sei die Aufgabe der Gesellschaft, die Konzepte im Sinne der Suffizienz und Konsistenz zu tragen („Was ist es uns wert, Technologie XY im Auto zu haben [und benötigen wir das wirklich in einem Auto]“?) 

Dr. Wilts legte seinen Fokus nicht nur auf den direkten Transformationsvorgang des CEAP, sondern darüber auch auf die Veränderungen, de dieser für „lineare Industrien“ bedeutet. So forderte Wilts einen Ansatz, der zusätzlich auch die Integration von Akteuren vorsieht, die nicht von der Transformation profitieren. Es müssten ebenso Konzepte für eine Um- oder Weiterbildung für Arbeitnehmer angeboten werden, die vom Stellenabbau linearer Konzepte betroffen sind. Neben diesen mahnenden Worten plädierte er außerdem dafür, dass NRW Vorreiter der CE-Transformation sein sollte, da sich das Bundesland bereits ausreichend mit Transformationsprozessen beschäftigen musste und dadurch bereits einen größeren Erfahrungswert im Umgang damit aufweisen kann.

Vielen Dank für Ihre Teilnahme, wir freuen uns, Sie auch bei den anderen Terminen der CEAP-Reihe begrüßen zu dürfen. 

Das Programm und die näheren Termine erhalten Sie wie immer rechtzeitig.