Zum Start der Reihe durften wir zwei Referent:innen begrüßen, welche das Wesen des CEAP vorstellten und dieses in einem kritischen Kommentar würdigten. Eva Weik vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag e.V. (DIHK) stellte in Ihrer Präsentation „Aktionsplan Kreislaufwirtschaft“ klar, dass der Green Deal ein „integratives Nachhaltigkeitssystem“ der EU ist. Es soll die Erreichung von mehr Nachhaltigkeit und den Umweltzielen der EU (wie bspw. Treibhausgasneutralität oder Reduktion von Schadstoffen) ermöglichen. Obwohl der CEAP die Gesamtheit des Wirtschaftssystems umfasst, sind sieben Schlüsselbereiche im Aktionsplan festgelegt bspw. Textilien und Kunststoffe. Ziel der EU ist es eine weltweite Vorreiterrolle in der Kreislaufwirtschaft einzunehmen. Neben der Rolle der Politik betonte Weik die Rolle der Unternehmen im Transformationsprozess. Denn Unternehmen müssen oft erhebliche Veränderungen im Rahmen ihrer Geschäftsmodelle, Produktionsprozesse oder Lieferketten vornehmen, um die Zielstellungen zu erreichen. Da der CEAP Unternehmen jeder Größe betrifft, können und sollen Maßnahmen auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette entwickelt werden.
Ein wesentlicher Aspekt des CEAP ist die nachhaltigere Gestaltung von Produkten. Dies kann durch verschiedene Strategien erzielt werden, z.B. eine haltbarere Produktgestaltung oder
eine angepasste Entwicklung von Produkten, welche das Wiederverwenden, Nachrüsten und/oder Reparieren von Produkten ermöglicht. Ein Ansatz, diese Zielstellungen zu etablieren, ist die
Erweiterung der Ökorichtlinie um Produkte oder ganzer Produktkategorien (bspw. um Textilien oder Verpackungen). Eine große Chance für nachhaltigere Produktgestaltung ist laut Weik außerdem die
Integration von digitalen Möglichkeiten in die Entwicklung. So stellt sich die Einführung eines digitalen Produktpasses als neue Möglichkeit dar, auf transparente Art und Weise Informationen über bestimmte Produkte zu erhalten und dies als Grundlage der Kaufentscheidungsfindung zu nehmen.
Weik zeigte auf, dass die konkreten Auswirkungen des CEAP aus momentaner Sicht noch schwierig zu bewerten sei. Zum einen sei es notwendig, massive Investitionen zu tätigen, die eine Transformation
hin zu CE erfordert. Andererseits blickt Weik jedoch vorsichtig optimistisch in die Zukunft, da die Umsetzung des CEAP auch neue Chancen für Innovationen und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle bietet.
Im zweiten Vortrag („Das Verspechen der Zirkularität“) kommentierte Prof. Dr. Christian Schulz von der Universität Luxemburg den CEAP kritisch auf Basis seiner Forschung in Schweden und Luxemburg. Prof. Schulz wies darauf hin, dass das Konzept der Circular Economy (CE) nicht neuartig sei, sondern gerade eine Renaissance erfährt. Die CE ist aus Ayres Konzept des Industriellen Metabolismus gewachsen und erhält verstärkte Aufmerksamkeit seit Mitte der 2010er Jahre. Diese Aufmerksamkeit spiegelt sich auch in einer Entschlossenheit der Politik, das Thema voran zu bringen, was durch eine Vielzahl an politischen Konzepten, Studien u.Ä. indiziert wird. Schulz betonte, dass die Umsetzung der Circular Economy trotz der EU-weiten Forcierung national sehr unterschiedlich weit vorangeschritten ist und dass vor allem die BeNeLux-Staaten eine Vorreiterrolle einnehmen. Aus Zeitgründen fokussierte er sich in seinem Vortrag auf folgende drei Aspekte: Die Wahrnehmung der CE, Barrieren für Industrie und Handwerk und den Charakter des Wirtschaftssystems.
Bzgl. der Wahrnehmung von CE sah Schulz vor allem einen zu starken Fokus der Unternehmen auf die eigenen Systemgrenzen. Am Beispiel von Stahlerzeugern führte er aus, dass es nicht reicht, nur die Rückführquoten des Stahls zu betrachten (welche sehr hoch sind), vielmehr müsse man auch den damit und mit der Wiederaufbereitung verbundenen Aufwand der Vorketten berücksichtigen. So ist eine erhöhte Kreislaufführung nicht per se als besser zu betrachten, sondern muss ganzheitlich evaluiert und konkreten Alternativszenarien gegenübergestellt werden.
Bzgl. möglicher Barrieren für Industrie und Handwerk führte Schulz neben externen Barrieren auch unternehmensinterne Barrieren auf, welche einer Umsetzung von Circular Economy im Weg stehen. Als externe Barrieren führte Schulz zunächst kontraproduktive Normen oder regulatorische Lücken auf, welche den Einsatz von Sekundärmaterial hemmen, obwohl dies potenziell als geeignet für den weiteren Einsatz erscheint (so bspw. in der Baubranche). Als interne Barrieren sah Schulz vor allem den hohen Kapazitätsbedarf an Ressourcen (wie bspw. Know-How), um Geschäftsmodelle oder Produkte anzupassen.
Innerhalb des dritten kritisch beleuchteten Aspekts setzte sich Schulz mit der Integration der CE in das aktuelle Wirtschaftssystem auseinander. Er betont, dass die Strategien der CE vor allem auf eine Ressourceneffizienzsteigerung abzielen. Ziel der Ansätze ist es Produkte zirkulärer zu gestalten („SUV zu fahren ist völlig in Ordnung, solange dieser zirkulär konstruiert und produziert wird“). Stattdessen kommen Strategien der Suffizienz- und Konsistenz deutlich zu kurz, die weit spannendere gesellschaftlichen Änderungen erfordern. Ausgewählte Ansätze wie Sharing zeigen aber, dass auch Ansätze funktionieren, die die Gesellschaft einbinden. Diese können einen großen Beitrag zur Erreichung von Nachhaltigkeit leisten, sind aber schwerer mit dem momentanen Konsumverhalten der Wirtschaft vereinbar.
Auf den Vorträgen aufbauend moderierte Paul Szabó-Müller eine Podiumsdiskussion, bei der über beide Referent:innen hinaus außerdem Ulrike Künnemann (InnoZent OWL e.V. / CirQuality OWL), Dr. Manfred Renner (Fraunhofer UMSICHT) und Dr. Hennig Wilts (Wuppertal Institut) teilnahmen. Die Diskussionsteilnehmer:innen waren sich dabei über die Motivation und die Notwendigkeit des Aktionsplans einig. Frau Künnemann machte noch einmal deutlich, dass Unternehmen Unterstützung bei den Transformationsprozessen benötigen. Dazu gehören insbesondere stimmige gesetzliche Rahmenbedingungen. Diese müssen mit einem zeitlichen Vorlauf und verständlich an Unternehmen kommuniziert werden, damit diese ihre Strategien entsprechend weiterentwickeln können. Dabei können Multiplikatoren wie Verbände, Netzwerke und Wirtschaftsförderungen sinnvoll unterstützen.
Auch Dr. Renner lobte die Motivation des CEAP, hob aber gleichermaßen die Rolle der Gesellschaft hervor, die aktuell nicht im CEAP berücksichtigt wird. Ähnlich wie Prof. Schulz sieht er den Ansatz des CEAP sehr stark auf die Veränderung der Technologien ausgelegt. Er zweifelt jedoch daran, dass sämtliche technologischen Veränderungen wirklich notwendig sind. Am Beispiel des VW Golf (Generationen I vs. VIII) zeigte Renner die Entwicklung eines Produktes in den letzten Jahren auf und stellte gleichzeitig die Frage, inwiefern diese Entwicklung zielführend ist. Es sei die Aufgabe der Gesellschaft, die Konzepte im Sinne der Suffizienz und Konsistenz zu tragen („Was ist es uns wert, Technologie XY im Auto zu haben [und benötigen wir das wirklich in einem Auto]“?)
Dr. Wilts legte seinen Fokus nicht nur auf den direkten Transformationsvorgang des CEAP, sondern darüber auch auf die Veränderungen, die dieser für „lineare Industrien“ bedeutet. So forderte Wilts einen Ansatz, der zusätzlich auch die Integration von Akteuren vorsieht, die nicht von der Transformation profitieren. Es müssten ebenso Konzepte für eine Um- oder Weiterbildung für Arbeitnehmer angeboten werden, die vom Stellenabbau linearer Konzepte betroffen sind. Neben diesen mahnenden Worten plädierte er außerdem dafür, dass NRW Vorreiter der CE-Transformation sein sollte, da sich das Bundesland bereits ausreichend mit Transformationsprozessen beschäftigen musste und damit große Expertise im Umgang damit aufweisen kann.
Vielen Dank für Ihre Teilnahme, wir freuen uns, Sie auch bei den anderen Terminen der Circular Economy Action Plan-Reihe begrüßen zu dürfen.
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