Start » CEresearchNRW: Der EU Circular Economy Action Plan – Elektronik & IKT, Batterien & Fahrzeuge?
Nach den gewohnten, einleitenden Worten durch Paul Szabò-Müller, die auf die derzeitige Problematik in den oben genannten Bereichen hinwiesen und deren Wichtigkeit innerhalb des CEAP unterstreichen, startete Jan Bernholz mit seiner Vorstellung des Second-Life-Batteriespeichers in Herdecke, an dessen Entwicklung und Umsetzung er als Projektleiter beteiligt ist. Der Batteriespeicher ist ein Pilotprojekt im Rahmen von RWEs Dekarbonisierungsstrategie in der Energiebereitstellung. Der Speicher hat eine Kapazität von ca. 4,5 MWh, dient als Versuchsprojekt für die Konzipierung zukünftiger, größerer Anlagen und ist bis auf kleinere Anpassungen der Software vollständig einsatzbereit. Der Speicher besteht aus ca. 60 Batterien, die aus der Audi e-tron-Entwicklungsreihe stammen, welche Strom speichern und rückspeisen. So werden aus Antriebsbatterien stationäre Energiespeicher. Durch den Umstieg auf erneuerbare Energieträger wird es zunehmend schwerer, die nachgefragte Energie zeitgleich zu erzeugen, denn Erneuerbare Energien sind volatile Energieerzeuger, die nur Strom erzeugen können, wenn äußere Faktoren (wie Wind und Sonneneinstrahlung) zur Verfügung stehen. Dadurch steigt der Bedarf an Speicherkapazitäten, welche in Zeiten eines Stromüberschusses Strom aus dem Stromnetz entnehmen und diesen bei Strommangel zurück in das Netz einspeisen. Der Second-Life-Batteriespeicher verbindet Aspekte die Circular Economy, Energiewende und Elektromobilität: Batterien aus der Automobilbranche werden in einem zweiten Lebenszyklus für die Energiespeicherung weiterverwendet, da die Batterien für den Mobilitätsbereich bereits aussortiert werden müssen, wenn deren Ladekapazität auf ca. 80% absinkt. Dennoch können diese noch über Jahre hinweg be- und entladen werden. Bernholz sieht durch die wachsende Anzahl an E-Mobilität ein großes Ausbaupotenzial solcher Batteriespeicher für den Strommarkt und verweist gleichzeitig auf die Wichtigkeit und beidseitigen Vorteile einer Kooperation mit den verantwortlichen Fahrzeugherstellern: Einerseits benötige der Energieversorger Informationen zu den Batterien, die nur dem Hersteller vorliegen, andererseits profitiere auch der Fahrzeughersteller im Rahmen des neuartigen Geschäftsmodells in ausreichender Art und Weise. Details des Geschäftsmodells könne er jedoch an der Stelle nicht preisgeben. Ein Indikator für die Wirtschaftlichkeit kann jedoch erkannt werden, wenn man einen Blick auf die aktuell sehr hohen Strompreise wirft: Schwankten diese im Spotmarkt (=“Strombörse“) lange um 30€ je MWh, liegen sie derzeit im Bereich 100-300€ je MWh. Zusätzlich bedienen Energiespeicher außerdem den Regelenergiemarkt. Bernholz resümierte abschließend die Wichtigkeit des Projektes für zukünftige Planungen, denn neben Erkenntnissen in der reinen Umsetzung der Speicheranlagen wurden außerdem wichtige Lerneffekte im Bereich Zusammenarbeit mit Behörden und Risikomanagement (hier stellvertretend aufgeführt: Brandschutz) erzielt.
Im zweiten Vortrag präsentierten Nermeen Abou Baker und Mike Duddek die Fortschritte, die sie im Rahmen des Prosperkolleg Circular Digital Economy Lab (CDEL) innerhalb des letzten Jahres erzielen konnten. Unsere besonders treuen Zuhörer:innen erkannten spätestens jetzt, dass es sich um ein „Update“ zum Konzept der digital unterstützen, automatisierten Objekterkennung und -zerlegung handelt, das bereits vor ca. einem Jahr im Netzwerk vorgestellt wurde. Mike Duddek startete den Vortrag und legte die Problematik des derzeitigen Wirtschaftssystems anhand der Abfallströme des Elektrosektors dar. Diese sind pro Kopf besonders in den Industrieländern sehr hoch, während die Recyclingquoten sehr gering sind. Dies erklärt sich dadurch, dass ein effektives Recycling nicht ökonomisch effizient oder technisch durchführbar ist. Das manuelle Demontieren ist wegen hoher Kosten für Mitarbeiter:innen nicht wirtschaftlich möglich, während das automatisierte Zerschreddern der gesamten Produkte dazu führt, dass der gesamte zerkleinerte Abfall nur sehr schwer sortenrein in seine Einzelkomponenten aufgetrennt werden kann. Daher stelle laut Duddek eine automatisierte Objekterkennungs- und -sortiereinheit einen Lösungsansatz dar, die im CDEL entwickelt wird. Diese beinhaltet im ersten Schritt eine computergestützte zerstörungsfreie Erkennungseinheit und im zweiten Schritt eine robotergestützte Trenn- und Sortiereinheit. Verantwortlich für die Erkennungseinheit ist Nermeen Abou Baker, verantwortlich für die Trenn- und Sortiereinheit Mike Duddek. Zur zerstörungsfreie Objekterkennung wird ein Gegenstand in eine Fotobox eingegeben (Loading-Phase). Innerhalb dieser Fotobox werden Bildaufnahmen in verschiedenen Wellenbereichen (bspw. Infrarot-Bereich) aufgenommen (Aquisition-Phase). Diese werden anschließend erkannt und einem Gerät in der Datenbank zugeordnet (Recognition-Phase). Momentan enthält die Datenbank zur Objekterkennung Smartphones, zukünftig soll dies durch die Methode der Künstlichen Intelligenz Transfer Lernen erfolgen, aber auch auf andere Objekte übertragen bzw. erweitert werden. Anschließend wird der Gegenstand der Sortier- und Trenneinheit zugeführt. Diese kann durch Sensoren die genaue Lage des Gegenstands genau bestimmten, diesen vollautomatisch greifen und durch ein Röntgengerät die Lage bestimmter Produktkomponenten wie Motor oder Wellen bestimmen. Durch die Bestimmung der Lage kann das Produkt zerlegt werden, momentan durch das Verfahren des Wasserstrahlschneidens, aber auch weitere Trennverfahren sollen künftig erprobt und kombiniert werden.
Im abschließenden Vortrag der Veranstaltung gewährte uns Dr. Ralf Brüning Einblicke in seine Erfahrungen zu potentiellen (Brand-)Gefahren, die durch die unsachgemäße Entsorgung von Lithiumbatterien verursacht werden. Gleichzeitig säumte er seine Erkenntnisse mit dem Ausblick auf relevante und aktuelle Studien. Brüning betonte, dass nach wie vor die EU-weiten Ziele der Elektro-Altgeräte-Sammlung nicht erreicht werden konnten, auch weil Verbraucher nicht wüssten, wie sie ihre Geräte richtig entsorgen müssen. Nachfolgend erläuterte Brüning aufbauend auf der logistischen End-of-Life-Kette die wesentlichen Schritte der Elektro-Altgeräte-Sammlung und dabei möglicherweise auftretende Risiken. Die laut Brüning bestmögliche Sammeloption ist das Thekenprinzip, d.h. eine direkte Annahme und schonende Sortierung bei Anlieferung durch die Verbraucher:innen. Aber diese könne oftmals aus ökonomischen Gründen nicht sinnvoll umge-setzt werden. Jedoch werden auch andere, aus Sicht der (Vorbereitung zur) Wiederverwendung sinnvolle, Transportverfahren wie der Stückgut-Transport in kleinen Transporteinheiten oftmals nicht durchgeführt. Stattdessen werden oft verschiedenste Altgeräte gemischt als Schüttgut gesammelt und transportiert. Dies führt beispielsweise zu Brüchen der Displays von Bildschirmaltgeräten. Eine weiteres sich daraus ergebendes Problem ist die Beschädigung von Lithiumbatterien welche auslösend für Brände in Elektro-Altgeräte-Sammelstellen und entlang der weiteren Entsorgungskette sein können. Die Gründe für die Beschädigungen können vielseitig sein, bspw. Reibung, Druck und vor allem Stöße während des Transportes. Daher stellen laut Brüning Datenlogger eine Kontrollmöglichkeit dar, die die Art und Weise des Transportes dokumentieren. Diese werden bisher hauptsächlich zum selben Zweck im Transport von Neuware eingesetzt. Im Sinne der Circular Economy betonte Brüning aber auch die Rolle der Abfallvermeidung bei Elektro(alt)geräten, da durch die (Vorbereitung zur) Wiederverwendung auch die potenziellen Risiken durch Transport und Sammlung vermieden werden könnten. Brüning erfreute sich darüber, dass diese Logik zunehmend Bedeutung gewinnt, etwa im Rahmen des EU Circular Economy Action Plans, statt nur durch einzelne Vorreiter:innen.
Vielen Dank für Ihre Teilnahme an dieser Veranstaltung. Unsere CEAP-Reihe setzen wir am ersten Donnerstag des Wonnemonats Mai fort. Am 05.05.2022 werden wir Ihnen von 15-17 Uhr Vorträge zur Wertschöpfungskette Kunststoffe präsentieren. Die Veranstaltung gewährt, wie bereits zum guten Ton gehörend, wissenschaftliche Einblicke und praktische Umsetzungen.
Bis dahin bleiben Sie gesund, Ihr Prosperkolleg-Team