Prof. Schwenzfeier-Hellkamp begann das Seminar mit einem Kurzimpuls über den Fachbereich „Ingenieurwissenschaften und Mathematik“ der FH Bielefeld und betonte dabei die große Wichtigkeit der zirkulären Wertschöpfung innerhalb der Lehre und Forschung des Fachbereiches.
Der Fachbereich umfasst mit ca. 3000 Studierenden ca. ein Viertel der Studierenden der FH Bielefeld und beschäftigt 76 Professor:innen und Lehrbeauftragte sowie über 100 wissenschaftliche Mitarbeiter:innen verschiedenster Fachrichtungen. Diese personelle Ausrichtung ermöglicht ein interdisziplinäres und holistisches Bearbeiten des Themas zirkuläre Wertschöpfung aus diversen wissenschaftlichen Fachrichtungen und die Integration der Erkenntnisse in den Lehrbetrieb der Hochschule bzw. des Fachbereiches. So können die Studierenden seit 2014 das Modul „Produkt-Risikomanagement“ und seit 2017 das Modul „Zirkuläre Wertschöpfung nach Cradle-to-Cradle“ belegen.
Daneben ist es Prof. Schwenzfeier-Hellkamps Anliegen, die zirkuläre Wertschöpfung im Forschungsprofil des Fachbereiches zu verankern, was nicht zuletzt durch eine Vielzahl an Forschungskooperationen mit Industriebetrieben gelingt. Dabei suchen die Unternehmen zunehmend Unterstützung in der Umsetzung von Nachhaltigkeit und insbesondere in den letzten Jahren auch im Themenbereich der zirkulären Wertschöpfung.
Im zweiten Teil des Seminars zeigte uns Fabian Schoden in seinem Vortrag „Der Klimakrise begegnen – über Energiewende, zirkuläre Wertschöpfung und Strom aus Früchtetee“ zunächst seine Motivation für sein Forschungsgebiet. Schoden sieht zurecht die Klimakrise als ernste Bedrohung menschlicher Existenz, die verhindert bzw. begrenzt werden muss. Als Alumnus des Studienganges „Regenerative Energien“ sieht er seinen möglichen Beitrag vor allem in der Vorantreibung der Energiewende.
Anhand eines Lastprofils der Bundesrepublik zeigte Schoden zunächst, dass erhebliche Teile des Bedarfes an elektrischer Energie immer noch durch fossile Energieträger bereitgestellt werden, die mit hohen CO2-Emissionen verbunden sind. Zusätzlich ist nach der AGORA Studie davon auszugehen, dass sich der Bedarf an elektrischer Energie durch die
Elektrifizierung des Verkehrssektors ca. verdreifacht. Um die Klimaziele der Bundesrepublik zu erreichen ist die unweigerliche Konsequenz ein starker Ausbau der erneuerbaren Energieanlagen. Für Deutschland eignen sich dafür vor allem Photovoltaik- und Windkraftanlagen. Eine Kombination der beiden Technologien ist auch dahingehend sinnvoll, dass sich die Einspeiseintervalle beider Erzeugungsarten oft sehr gut ergänzen.
In seiner Forschung konzentriert sich Schoden vor allem auf Photovoltaik (PV)-Anlagen. Das Problem der Anlagen ist derzeit deren lineare Produktion, was bedeutet, dass die Produktion neuer PV-Anlagen an die Rohstoffentnahme aus der Natur gebunden ist. Nach Abschluss der
Nutzungsphase können nur wenige Materialien weiterverwendet werden (bspw. der Aluminiumrahmen), während der Großteil der Zellen als Schrott endet.
Schoden bediente sich in der Entwicklung seines Lösungsansatzes der Biomimikry, das heißt er verwendete ein in der Natur auftretendes Phänomen um daraus eine technische Lösung zu erzeugen. Ergebnis dieses Verfahrens war die Farbstoffsolarzelle. Diese besteht aus zwei konventionellen Glasplättchen, die jeweils mit Titanoxid (Frontelektrode), welches in Zahnpasta enthalten ist, oder Graphit (Rückelektrode) bestrichen werden. Als Zwischenmedium dient ein Farbstoff, der beispielsweise in Früchtetee enthalten ist.
Die Farbstoff-PV-Anlage hat dabei den großen Vorteil, dass das Glas ohne Qualitätsverluste recycelt werden kann und aufgrund der Transparenz der Anlage auch in die Infrastruktur von Gebäuden integriert werden könnte, wie zum Beispiel in Fensterglas. Demgegenüber steht ein verhältnismäßig geringer Wirkungsgrad von ca. 1% (Topmodelle der PV-Forschung
erreichen bis zu 21%). PV-Anlagen und technische Geräte im Allgemeinen könnten zwar durch Materialsubstitution verbessert werden, jedoch würde darunter die Recyclingfähigkeit der Anlage massiv leiden. Beispiel hierfür wäre die Substitution des Graphits durch Platin, um die Leitfähigkeit zu erhöhen.
Auf diese Weise zeigte Schoden also über seine Forschungsergebnisse hinaus auch die Existenz von Zielkonflikten innerhalb der Entwicklung von zukunftsfähigen Energieerzeugungsanlagen. So sind sowohl eine hohe Effizienz als auch eine hohe Recyclingfähigkeit sehr erstrebenswert. Diese beeinflussen jedoch die jeweilig andere Größe negativ in der Umsetzung.
Vielen Dank für Ihre Teilnahme, wir freuen uns darauf, Sie im neuen Jahr gesund und ausgeruht zum nächsten Web-Seminar zu begrüßen. Beachten Sie bitte, dass das Web-Seminar dann nicht am ersten Donnerstag des Monats stattfindet, sondern erst am 27.01.2022. Wie Paul Szabo-Müller schon im Seminar angerissen hat, startet mit dem nächsten Termin die „Circular Economy Action Plan“-Reihe unseres Forschungsnetzwerks.